Das Geheimnis der goldenen Brücke

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Michael_Kunz
Kerberos
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Registriert: 25.06.2011, 18:29

Das Geheimnis der goldenen Brücke

Beitragvon Michael_Kunz » 25.06.2011, 18:40

Peter hatte seinen Baum oft aufgesucht und umarmt.
Einmal zeigte er auf ein paar Ameisen, die um ihn herumkrabbelten:
„Werden sie mir noch böse sein?“ Der
Baum hatte ihn verständnisvoll angeschwiegen, seine
Blätter im Wind rascheln lassen, als wollte er ihm sagen:
„Sei nicht traurig Peter. Könnten Insekten denken,
so würden sie sich wahrscheinlich fragen, warum die
Menschen so unbarmherzig sind. Aber zum Glück können
sie ja nicht denken.“
Für Peter war der Weg zu seinem Baum kein gewöhnlicher
Spaziergang. Es war eine Reise. So hatte er es
auch seinem Baum erklärt. Der Baum hatte ihm daraufhin
gesagt, dass jeder Mensch ein Reisender sei. Von
manchen Reisen könne er Fotos mitbringen, von manchen
nur Erinnerungen und wiederum von manchen eigentlich
nur das Wissen um diese Reise. Das seien die
Träume, weil sie in Vergessenheit gerieten.
Als er dann neun Jahre alt war, hatte er seinen Baum
gefragt, ob es nicht sein könne, dass das ganze Leben
eine Reise sei.
„Vielleicht sogar nur eine kleine Haltestelle auf einer
noch viel größeren Reise“, gab der Baum zu bedenken.
„Und wo hat diese Reise dann begonnen?“
„Das weiß nur das Licht. Es kennt die Grenze unseres
Universums.“
„Kennt es auch den Weg zur goldenen Brücke?“
„Was möchtest du denn auf der goldenen Brücke?“
„Wissen, was ihr Geheimnis ist.“

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„Gut so!“, raunte ES.
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„Aber wenn du dieses Geheimnis kennst, dann wäre es
kein Geheimnis mehr.“
„Na und?“, fragte Peter und zuckte dabei mit den Achseln.
„Außerdem dürfen nur ganz wenige Menschen dieses
Geheimnis erfahren.“
„Dann bin ich eben ein ganz weniger Mensch.“
„Na, wenn das so ist“, kicherte der Baum vergnügt,
„dann wird dir der Schatten bestimmt helfen.“
„Schatten? Hörst du mich?“, fragte Peter daraufhin den
Baumschatten.
„Oh nein, mein Kind!“, lachte der Baum. „Nicht mein
Schatten.“
„Dann also mein eigener Schatten?“
„Aber Kind! Du kannst diesen Schatten nur sehen,
wenn er es zulässt. Tief in dir kannst du hören, was er
dir sagt. Höre auf deine innere Stimme.“
Später fragte Peter seinen Baum: „Wenn der Schatten
nun will, dass ich ihn sehe, wo würde ich ihn dann fi nden?“
„Wahrscheinlich dort, wo du ihn niemals suchen würdest,
weil diese Plätze so unbedeutend sind. Ich könnte
mir vorstellen, dass er sich nachts um deine Schatulle
legt, wenn der Mond sein Licht auf sie richtet.“

....................................*
„Was redest du für dummes Zeug?“, ärgerte ES sich.
....................................*

Diese Schatulle hatte Peter zu seinem neunten Geburtstag
von seiner Mutter geschenkt bekommen. Er fand
sie nicht besonders schön, aber in ihr war ein geheimnisvoller
Schatz versteckt. „Du darfst diese Schatulle
nie achtlos öffnen“, hatte ihn seine Mutter gemahnt.
Nun stand die Schatulle auf dem Fensterbrett in seinem
Zimmer und abends, wenn der Mond freundlich durch
das Fenster lugte, war es, als ob er sagen wollte, dass er
diese Schatulle in sein weißgraues Mondlicht tränken
müsse, damit man sofort erkenne, wenn sie nicht mehr
an ihrem Platz lag. Und das tat er seit Peters neuntem
Geburtstag und seitdem hatte die Schatulle ihren Platz
am Fenster nie verlassen. An jenem ersten Abend konnte
Peter nicht einschlafen, denn er musste ständig an
seinen Schatz denken.
Lange Zeit lag er regungslos im Bett und starrte an die
Decke. Die Schatten, die sich dort herumtrieben, kamen
von draußen, denn vor dem Fenster stand ein großer
Baum. Genau genommen waren es nur die Zweige,
die einen Schatten warfen. Schatten, die wie riesige
knochige Finger an der Decke hingen und sich bewegten.
Mal nach links. Mal nach rechts. Bereit dazu, in
jedem Augenblick zuzupacken und Peter zu erwürgen.
Er spürte, wie sie sich heimtückisch näherten, sich
öffneten, um seinen Hals legten und zupackten. Verzweifelt
rang er nach Luft, kämpfte um sein Leben
und fühlte dabei den kalten Atem des Todes in seinem
Nacken. Stimmen von Verstorbenen flüsterten ihm zu:
„Komm!“ Peter stieß einen Schrei aus und sprang aus
dem Bett, als hätte es Feuer gefangen.

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Zu diesem Buch:

Autor: Michael Kunz
Titel: Das Geheimnis der goldenen Brücke
Genre: Mystery-Roman
Seiten: 272
ISBN: 978-3-939478-31-7
Verlag: Verlag Kern, Bayreuth (http://www.verlag-kern.de)
Preis: 17,90 EUR
Erscheinungstermin: voraussichtlich 27.06.2011

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Ich würde mich über euere Meinung sehr freuen, unabhängig davon, dass das Buch nächste Woche herauskommt. Von euch Lesern kann ich lernen, es beim nächsten Buch besser zu machen.

Herzliche Grüße
Michael Kunz
(http://www.pictrs.com/michael-kunz)

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