Zur feministischen Ikone Clara Schumann - ein Essay

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Zur feministischen Ikone Clara Schumann - ein Essay

Beitragvon Pentzw » 29.07.2025, 12:22

Weltberühmte Ehepaare, bei denen auch (!) die Frau als bedeutend erachtend worden ist, fallen mir drei ein.
Ehepaar Curie. Madame Curie war zweifelsohne die herausragendere Wissenschaftlerin, zumindest erreichte sie auf wissenschaftlichen Gebiet mehr als ihr Mann, mehr als die meisten Nobelpreisträger und – innen, nämlich zweimal ihn erhalten zu haben. Im Vergleich zu ihrem Mann: Lag es daran, dass dieser früher gestorben ist?
Ehepaar Einstein. Der Physiker Albert Einstein soll ja die wichtigsten Erkenntnisse der Relativitätstheorie in jungen Jahren entdeckt haben. Da war er mit seiner Ehefrau zusammen. Man munkelt, dass diese wohl die wahre Pionierleistung gemacht hat. Wie auch immer, in Mathematik war Albert Einstein jedenfalls grottenschlecht.
Ehepaar Schumann. Beide hervorragende Musiker, Pianisten, vor allem Clara im letzteren Punkt. Beide komponieren, aber Herr Schumann gilt als der herausragendere. Clara komponiert nur auf Druck, auch auf den ihres Ehemanns hin. Robert Schumann stirbt lange vor Clara Schumann, übrigens nicht durch eine endogene Psychose, sondern an den Folgen der Syphilis. Da Robert Schumann also nicht von Haus auf geisteskrank war, meines Wissens auch nicht seine Vorfahren, ist die genetische Disposition zur psychotischen Erkrankung nicht gegeben. Doch werden einige der Kinder der beiden Schumanns schwer psychisch krank. Das legt den Schluss nahe, sie wurden dahin gedrängt.
Clara Schumann ist so berühmt wie ihr Mann, allerdings als Pianistin. Sie umgibt der Ruf, ihr Leben quasi in den Dienst des Ruhms ihres Ehemanns gestellt zu haben. Als ob sich dessen Werke ohne ihre unermüdliche Hingabe zum Konzertieren nicht durchgesetzt hätten. Dies mag durchaus der Fall sein.
Jedenfalls, sie war ein Superstar zur damaligen Zeit, mit den höchsten Einnahmen, die denkbar sind, gastierte in ganz Europa auf den renommiertesten Stätten und Bühnen, in Russlands Petersburg und vor allem in England. Sie verkehrte in den betuchtesten, erlauchtesten Kreisen. Den Preis dafür mussten allerdings ihre vielzählige Kinderschar zahlen: Sie war kaum in der Familie präsent und tat alles dazu, dass eine solche nicht als stehend angesehen werden kann. Stattdessen wurden ihre Kinder in Pflegefamilien untergebracht, vor allem die männlichen in Erziehungsanstalten gesteckt, halt Internaten, den teuersten, besten der damaligen Zeit, sprich die in ihren Erziehungsmethoden mit härtesten Bandagen arbeitenden. Wurden dadurch ihre Kinder seelisch krank? Sie unterband konsequent Bestrebungen ihrer Kinder zu künstlerischer Tätigkeit. Sie war so erdverbunden, dass sie sie vehement zu Brotberufen drängte, Klavierlehrer(innen) zum Beispiel.
Clara Schumann schien wenig Sinn für Familienleben gehabt zu haben. Zusammenkünfte der Familie schien sie nur widerstrebend zustande kommen zu lassen. Sie überließ ihre kranken Kinder ihrem Schicksal, besuchte sie kaum. Ihre stehende Redewendung dazu lautete sinngemäß: „Besuche ich niemanden, wird er beim Abschied kein Verlustgefühl empfinden müssen.“
Sie war lieber allein, konzentrierte sich auf ihre Karriere, war vollauf damit beschäftigt, Vorbereitungen für anstehenden Touren als Pianistin zu machen. Gleichzeitig gerierte sie sich, als würde sie kaum Einnahmen haben und also Rücklagen. So konnte sie scheinbar auf keine finanziellen Polster für diese oder jene Erleichterung im Leben ihrer Kinder requirieren. Ihr Image stilisierte sie zu einer armen Schluckerin.
Eine Frau mit eisernen Prinzipien, sowohl in ihrer Kunst als auch in ihrem Leben. Preußisch pflichtbewusst – im Dienste der Musik, ihrer Pianistenkarriere und des Rufs ihres frühzeitig verstorbenen Mannes als Komponist von Weltruhm. Genauso pflichttreu gebar sie während ihrer Ehe mit Robert Schumann ein Kind nach dem anderen in Abständen von zwei, drei Jahren. Sie erfüllte ihre ehelichen Pflichten alle zwei, drei Tage, ganz wie es der Ehemann erwartete und forderte. Nicht zum Komponieren gedrängt, von ihrem Ehemann und ihrem Vater, unterließ sie es tunlichst. Fehlte Druck dazu, unterließ sie es lieber, wohl weil es ein schwieriges Unterfangen ist. Sie litt unter Schlaflosigkeit. Was sie sich selbst zumutete, forderte sie auch von ihren Kindern: Pflichtbewusstsein, Gehorsam und Untertänigkeit.
Sie förderte, wie gesagt, bei ihren Kinder keine Künstlerlaufbahn, sah in keinem das Potential dazu. Eine ältere Tochter, die sehr gut Klavier spielte und ein einziges Mal mit ihrer Mutter auf zwei Klavieren konzertierte, sagte danach: „Nie mehr wieder!“
Kühn, Dieter: „Clara Schumann, Klavier“. Ein Lebensbuch. Fischerverlag. 2015

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Re: Zur Feministischen Ikone Clara Schumann - ein Essay

Beitragvon riemsche » 29.07.2025, 13:29

hallo Pentzw,

verfolge interessiert deine Sicht der Dinge _auch wenn s mangels buchstäblichem Feedback meinerseits den Eindruck erweckt, ich wäre hier aufgrund regelmäßiger Postings als Egoshooter und Alphamännchen abonniert (:-))_ mehr oder minder regelmäßig. Finde _obwohl s mich im Grunde nichts angeht - aber du kennst mich mittlerweile ja bereits zur Genüge_ dass Essays dieser Art und Qualität in der Rubrik /Rezensionen/ besser zur Geltung und zielgerichteter entsprechenden Interessenten zugute kommen. Nichtsdestotrotz immer wieder fein zu sehen, was du dir zu bestimmten Dingen Umständen und Verhaltensweisen für Gedanken machst. Chapeau und bitte weiter so.

dezent durchnässter Gruß aus dem milden Westen Österreichs vom Gerhard

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Essay oder Buchbesprechung?

Beitragvon Pentzw » 29.07.2025, 21:11

Handelte es sich bei meinem Beitrag „Zur feministischen Ikone Clara Schumann“ um eine Buchbesprechung/Rezension, so wäre ich dezidiert auf Inhalt, Form und Intention des Buches eingegangen. Wahrscheinlich hätte man auch einen mehr oder minder fundierten Faktencheck machen müssen. Es müsste hervorgehoben werden, worauf der Autor Gewicht gelegt hat in der Bandbreite der Beschreibung eines Lebens, einer Monographie über Clara Schuhmann.
Mein kleiner Artikel beleuchtet das Buch hinsichtlich der Fragestellung „feministische“ Herzeigefrau oder nicht. Dafür hätte man natürlich auch rekrutieren müssen auf die Aspekte eines feministischen Idols: Wann und worin ist eine solche Ikone feministisch?
Mein Essay greift selektierte Beschreibungen aus dem Buch, dem sogenannten Lebensbuch heraus, die auch dem Autor sehr wichtig gewesen sind. Insofern ist es eine Inhaltsangabe des Buches, eine Zusammenfassung, aber mit dem Schwerpunkt der Mythen, die die Person, das Image der Clara Schuhmann umgibt. Insofern soll mein Beitrag eine eigene Sinnstiftung realisieren.
Ich bilde mir ein, dass dieser Essay also sowohl in der Rubrik Rezensionen u n d Epilog/Essays gut aufgehoben sein kann.

Lieber Gerhard, danke, dass du an mich denkst! Ich hoffe, du bist nicht der einzige hier, lach!


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