Der Herbst

In diesem Forum kann sich jeder mit seinem Text der Kritik des Publikums stellen. Selbstverständlich auf eigene Gefahr ...
janus
Kerberos
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Der Herbst

Beitragvon janus » 10.09.2011, 23:06

Wenn die Tage intensiver werden, die Sonne im sanften Gegenlicht jede Kontur überdeutlich entblösst, des Sommers fröhliches Flimmern in leiderwartende Erstarrung übergegangen ist, wenn die letzte Hitze schwer und still sich auf die Landschaft legt, die Luft kristallklar geworden ist, und wenn die ersten gefallenen Blätter müde über die Landschaft rascheln; dann ist es Herbst geworden.

Eine Jahreszeit nur, ein Staubkorn nur im Flusse der Zeit.

Währenddessen leben die Menschen dahin, vermeintlich selbstbestimmt und autonom, modern, im unablässigen Auf und Ab der Geschichte, verhängt in uralten Gesetzmässigkeiten, in Friedenszeiten euphorisch den grossen Idealen nacheilend, deren Unerreichbarkeit sich im nächsten Kriege zu entladen pflegt; Lemmingen gleich, die hinter ihrem Handeln verborgenen Mechanismen höchstens vage fühlend, als latenter Abgrund; die Geschichte als abgehobene Entität, als theoretisches Konstrukt wahrnehmend, ging ihnen die Erkenntnis abhanden, dass die Historie ein Fluss ist, der fortdauernd, in stoischer Beharrlichkeit, seinen Weg sich durch die Zeiten bahnt.

So kommt es, dass die Dinge entstehen und vergehen, und jeder Fortschritt ein vermeintlicher ist, ein blosses Fortschreiten in der immerselben, vor sich hin mäandrierenden Kurve, in Ewigkeit oszillierend, wie die Jahreszeiten.

shuya
Prometheus
Beiträge: 367
Registriert: 17.04.2010, 13:51

Re: Der Herbst

Beitragvon shuya » 17.09.2011, 14:10

ich denke ich verstehe was du sagen willst
und ich will keine kritik am gedanken selbst üben
aber es gibt ein paar dinge, die mich stören

fangen wir bei der überheblichkeit an
die aus dem "wir" all zu oft ein "die" macht
und sich gerne in der rolle des chronologisten sieht
der dokumente über etwas, dessen teil er nicht sein könnte,
in den kreislauf schickt
als sende man einen brief an "die", deren teil man nicht ist,
"die" man versteht, besser als sie sich - und "die" man hierbei - mit der sanften autorität pädagogischer korrektur
auf ihr leben verweist, oder ihr denken
und wie es eigentlich aussieht
den schluß darüber offen gelassen
(immerhin muss die überheblichkeit sich verstecken, das tut sie darin - dass sie vorschreibt unter dem mantel nicht vorzuschreiben)

wo bist du darin, autonom und so modern.

ist die historie ein fluß?
und wenn ja, wie funktioniert der fluß?
in siddharta von hesse wurde diese philosophie sehr treffend beschrieben (natürlich auch davor und danach, aber siddharta haben wir vermutlich alle gelesen)
es ist okay von fundamentalen wissen auszugehen in der literatur
wir müssen aufbauen sonst wäre jedes buch ein unlesbarer wälzer um die 5.000 seiten (minimum)
aber ich halte es für wichtig, sofern wir generelle philosophien behandeln
und wenn wir gleichnisse verwenden
deren funktionsweise auch klar zu machen - sonst schliddern wir nach gaußschen prinzipien
nur ums epizentrum einer "antwort" (antwort aus sicht des autors) herum
und das ist nicht immer zielführend
zumindest in deinem text

den großen idealen nacheilend -> in den nächsten krieg
ich glaube nicht, dass viele menschen großen idealen nacheilen
diese bedingen meist solidarität untereinander
aber gerade in friedenszeiten verlieren die menschen ein gefühl für ihren nächsten
das resultiert in den verlust einer gemeinsamen sache
und das gefühl von synergie geht verloren
damit auch die stumme verbrüderung mit den menschen um uns herum
-> friedenszeiten sind zeiten des egos
das ego, als "entität" mündet, automatisiert in der zerstörung
da es nicht nur grenzen zieht, sondern diese primär zieht
um sie zu erweitern
überschreitet einer die grenze des anderen
um die eigene zu erweitern - und verteidigt der andere die seine
entlädt sich das in krieg

ich denke, dass die großen ideale hier eine untergeordnete rolle spielen
da sie höchstens flaggen, symbole oder wappen sind
mit denen man grenzen bestückt
oder firmen
oder parties
oder persönlichkeiten oderoderoder

fortschritt ist eine schwierige sache
in nachtzug nach lissabon von pascal mercier schreibt der charakter "prado"
über zeit - und die verschiedenen formen von zeit
ich denke dieser einfache ausruf
"zeit ist ein konstrukt - alles ist immer überall weil alles überall enthalten ist. das hochhaus ist ein berg, der berg ist lava, die lava ist... oder aber das hochhaus ist jedes hochhaus ist jeder berg ist jede lava ist jedes wasser ist jedes leben oder aber...)"
ist ein wenig plump
nicht weil er nicht für sich stehen würde
oder keine existenzberechtigung habe
aber weil er das subjekt objektiviert und das unabänderliche gleichgewicht des jetzt - nur weil es eben in unabänderlichem gleichgewicht steht - in ein immer gleichbleibendes system rückt.
darüber lohnt es sich vielleicht nachzudenken.

alles in allem will ich nicht direkt widersprechen, wie oben auch gesagt
aber ich will es auch ungerne so stehen lassen, in seinem wahrheitsanspruch
der das wir ignoriert, das vermutlich und das möglicherweise aussen vorlässt
und die enthaltene frage mit einem punkt, statt einem fragezeichen markiert
der die eigene unsicherheit
mit backstein untermauert und als sicherheit präsentieren möchte

und ähnlich wäre es auch bei mir, so ich einen solchen text schreiben würde
und darum scheue ich mich davor, bin ich doch (und wer meine anmerkungen sorgfältig liest, wird das bestätigen können)
ebenso unsicher und schäme mich dessen und kann diese unsicherheit gerade deshalb nicht offen legen
und müsste mich eben darum mit einem text verteidigen

nimm den schild runter
und schreibe neu
oder lass ihn oben
und traue dich -wenigstens- ein fragezeichen zu setzen


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