Seite 1 von 1

Der Kracher - eine Fortsetzungserzählung Teil VII

Verfasst: 11.08.2011, 22:41
von Pentzw
Katz-und-Maus-Spiel

Nun wird eine Art Spiel beschrieben.
Während wir auf den Kracher warten, räkeln wir uns drei untätig und gelangweilt in unseren Sesseln, wen wundert’s, haben wir uns ja nicht die Bohne etwas zu sagen.
Plötzlich richtet der Polizist seinen Oberkörper auf. Ich denke, oh Herrje, hoffentlich packt der jetzt nicht seine Spielkarten aus, um die Zeit totzuschlagen. Aber er stößt wie aus der Pistole geschossen die Bitte aus: „Reichen Sie mir doch bitte mal Ihr Buch her!“ Ihm hat wohl eine Ahnung ereilt, woraufhin er sich endlich heißspornig auf eine heißersehnte heiße Spur stürzen kann...
Aber ich stelle mich doof, logo, so doof wie möglich,.
„Welches Buch?“, ratlos, unbedarft, unschuldig.
„Natürlich das, was sie ges….“. Etwas steht in der Luft. Auch der Polizist merkt’s. Er unterbricht sich nicht umsonst. Er überlegt. Er grübelt und sagt schließlich: „...mitgebracht haben wollen.“ Nicht schlecht, was? Solch eine Formulierung, räume ich gerne beschämt ein, hätte ich ihm nicht zugetraut.
„Sie meinen dasjenige von zu Hause?“ Ich kann nämlich auch sehr beredt sein.
„Genau!“
Inzwischen längst wieder in meinem Sack verstaut, versuche es nun darin zu finden, während ich überlege, was hinter dessen Ansinnen wohl stecken mag? Je länger ich brauche zum Finden - das ist die Raffinesse - desto mehr Zeit bleibt mir, in Erfahrung zu bringen, was mein Gegenspieler wohl denkt und beabsichtigt und umso schneller kontern.
Zuerst habe ich blind mit den Händen gesucht, nichts entdeckt, während ich in des Polizeimanns Gesicht versuche seine Gedanken zu lesen, aber statt etwas Erkennbares, Verwertbares und Nützliches herauszulesen, stoße ich bald auf einen genervten Blick. Ich erschrecke etwas. Schaue hilfesuchend zu Michael, erkenne den gleichen Blick, den ich so deute, dass jetzt wohl gut sei. Zugeben etwas leicht paniklich schaue ich jetzt, quasi zur Unterstützung meines Tuns, direkt in die Tasche hinein.
Katz und Maus – Kartenspielen – Pokern – wenn sie daran denken, dann denken wir das Gleiche.
Ich reiche es ihm endlich hin, wonach ich gesucht.
„Aha!“, murmelt er verdruckst und deshalb umso vieldeutiger, während er den Corpus in seinen Händen dreht, als wäre es ein Aeropteryx oder so etwas Vorsintflutliches, jedenfalls etwas sehr, sehr Fremdes. Gut, kann auch sein, dass er nicht allzu oft ein Buch sieht, außer natürlich die dicken Strafbücher.
Er murrt jetzt etwa völlig Undefinierbares, nicht hier Wiederzugebendes, nichtsdestotrotz klingt es jedoch so, als will er sagen: „Habe ich es mir doch gedacht!“
So sage ich: „Und, Herr Polizist! Was haben sie sich gedacht?“
Er starrt mit finsteren Augenbrauchen auf das dicke Ding in seinen Händen. Sofort fühle ich mich betroffen, grüble, was wohl an meiner Frage falsch sein mag, wahrscheinlich, wie meist, der Zeitpunkt, nicht richtig getroffen. So fühle ich mich gedrängt, schnell meine Formulierung abzumildern zu: „Ich meine, was denken Sie jetzt, Herr Polizist?“
Die Miene desselben hellt sich wieder auf. Ich bin erleichtert – und sofort vom Tun des Großen Ermittlers in Bann geschlagen.
Er hebt das Buch etwas, dreht es um sich, schaut belehrend zu mir und dann eindringlicher zu Michael: „Sehen Sie, Herr Michael. Fällt ihnen nichts auf?“
Er fixiert sogar noch einen Deut vielsagender das Buch. Darin muss einfach die Wahrheit stecken. Das haben ja so Bücher an sich. Aber in einem Internet-Buch? Nicht wirklich!
„Ich protestiere!“, mische ich mich aber wieder schnell ein. „Das ist eine Unterstellung, eine Fangfrage, wenn man schon vorformuliert: Fällt ihnen nichts auf...“
Michael, das erste Mal, dass er Courage zeigt, nickt Zustimmung, so dass der Gesetzesmensch leicht düpiert auf sein Pläsierchen in seinen Händen starrt und wieder Miene macht, nachzudenken.
Ich bin hingerissen von diesem Bild, ehrlich.
Wie viel Zeit mag vergangen sein, bis er jetzt lächelt und schlau sagt: „Na gut, dann anders gefragt. Ich frage Sie jetzt, Herr Michael, der Sie Fachmann sind.“ Zum Ende der Satzmelodie hebt er den Kopf theatralisch und dramaturgisch exakt in Richtung des Gefragten.
„Vor allem deswegen fragen Sie ihn wohl?“, trete ich ratlos dazwischen.
Er hat durchaus die bizarre Frequenz des Tonfalls gehört, die man Ironie heißt, lässt sich aber nicht irritieren und wiederholt sachlich: „Deswegen frage ich Sie, Sie als Buchhändler nämlich, ja richtig. Sie sehen hier also ein Buch vor sich. Ich lege es auf den Tisch, Sie können es auch gerne anfassen, aber es ist nicht nötig.“
Jetzt reicht’s mir aber doch.
„Ich protestiere erneut, was soll das heißen: Das ist nicht nötig? Wieder solch eine Suggestiv-Frage.“
Der Gegenspieler ist geduldig, zäh und verschlagen.
„Okay, anders formuliert. Nochmals...“
Der Mann hat vielleicht Chuzpe...
„Schauen Sie sich ganz unbefangen dieses Buch an, das da vor ihnen auf den Tisch liegt, und dies möglichst bewusst, mit den Augen eines Buchhändlers, eines Verkäufers, wenn ich das noch hinzubemerken darf.“
Diese geschraubte Formulierung, ich traue meinen Ohren nicht, jetzt aber. Ich spüre schon Resignation in mir aufkommen: soll er doch weiter infiltrieren, ich geb’s bald auf.
Und nun, lieber Leser, dürft Ihr raten: wie reagiert der Angesprochene? Er schmunzelt. Haben Sie es gewusst? Gratulation! – Pardon, ich verliere die Nerven, ich merk’s.
Der Gefragte will es nicht tun, mich hineinreiten, am liebsten überhaupt nicht tun, wie ihm geheißen, so zögert er mit seiner Bemerkung grenzwertig lang. Ich weiß, Michael, du möchtest mich nicht bloßstellen, du überlegst, was deine Aussage für mich bedeutet. Aber du musst etwas sagen.
Er muss, in der Tat, etwas äußern, lange darf er nicht zögern, will er sich am Ende nicht den Vorwurf der Parteilichkeit, der Befangenheit für eine widerstreitende Partei vorwerfen lassen. Wenn der „Neutrale“ hier wüsste, in welch enger Beziehungsbande wir beide verschweißt sind, Michael und ich.
„Es sieht... ähm.“ Er rückt sich die Krawatte zurecht. „Sehr neu aus!“
Der Polizist ergänzt triumphierend: „Wie frisch aus dem Buchladen! Nicht wahr?“
Das hat geklungen, wie wenn er einen Stich beim Kartenspielen gemacht hat und er deshalb befreit auf den Kartentisch die Spielblätter gehauen hat: So, jetzt ist mir endlich der Gegner auf den Leim gegangen. Einer will nur nicht mitspielen.
„Nun... Ich weiß nicht...“ Mensch Michael, du Spielverderber.
Ein gewagter Zug Michaels, der damit versucht, seine vorhin als Bejahung des Verdachtsmomentes dahergekommene Aussage teilweise wieder zurückzunehmen, zumindest abzuschwächen. Dass er dabei sein Gesicht dazu etwas verkneift, grenzt nahezu an Beamtenbeleidigung. Will sagen, früher mal, heute, in der Demokratie, ist’s möglich. Aber allzu oft darf sich Michael solch eine Schwächung der staatlichen Autorität auch wieder nicht erlauben.
Jetzt steht alles auf Messers Schneide. - Ich muss den Spuk endlich vertreiben. – Ich muss Michael beistehen.
„Herr Kom-mi-ssar!“, sage ich deshalb gedehnt.
Dieser schmunzelt nur, wohl weil er die dahinterliegende Absicht durchschaut. Nur keine Provokation auffangen. Vielleicht handelt es bei dem doch nicht bloß um einen normaler Diebstahl-Streifenpolizist.
„Glauben Sie wohl nicht, das ich meine Sachen pfleglich behandle?“
Er schaut auf meine Hose, ein Fleck springt mir unversehens ins Auge. Nun, ich bin Hobbymaler wie dieser Kerl Hobbykommissar, beide ecken wir natürlich in der zivilisierten Welt etwas an.
So muss ich wiederholen und darauf bestehen, was ich hören will: „Trauen Sie mir das nicht zu?“ Was hätte er jetzt anders sagen können, als mich zu beleidigen?
So winkt er ab. „Ja, ja, natürlich!“
Das klingt leider immer sehr, sehr bedrohlich aus dem Munde einer Autoritätsperson, besonders einer in Uniform und Pistole im Halfter. Es riecht nicht nach Munitionsschmauch zugegeben, aber doch nach Bürschen-wenn-ich-dich-einmal-allein-unter-die-Finger-kriege,-dann-aber-Gnade-dir-Gott. Eine sehr unangenehme Vorstellung, muss ich sagen.
Seine Augen weiden sich, als hätte er einen nervöser Tick, während er jetzt den Kopf senkt.
Wie beim ewigen Lächler vorhin.
Das färbt ja ab, denke ich. Die Nervosität springt über. Die Synapsen stehen bei allen offenbar unter elektrisch hochexplosiver Aufladung. Wie kommen wir da wieder herunter?
Michael, scheinbar jetzt zufrieden mit dem Ausgang des Spiel, wechselt seine Miene, dieses mal cooles Pokergesicht und starrt in die Ferne, um möglicherweise irgendeiner Inspiration dort habhaft zu werden. Hoffentlich die, wie wir diesen Schnüffler wieder loswerden!
Ich atme auf. In dieser Runde bin ich aus dem Schneider.