Die Stadt

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janus
Kerberos
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Registriert: 24.02.2011, 23:38

Die Stadt

Beitragvon janus » 24.02.2011, 23:50

Die Nacht senkt sich über die Stadt. Die Schatten werden länger, die Farben glühen nochmals auf, bevor sie erlöschen. Letzte Sonnenstrahlen blitzen an den Glasfassaden der Bürotürme, das Gesicht der Stadt mit dunkelrotem Glanz überströmend. Lauer Wind treibt gefallene Blätter über die Strassen. Weit über den Dächern der Häuser zieht ein Vogelschwarm gen Süden.

Die Geräusche der Stadt verdichten sich zu einem sanften Rauschen; jedes Geschrei, jede Sirene, jede Agonie absorbierend. Eine Schiesserei, das Summen einer Fliege, der letzte Atemzug eines alten Mannes. Jedes Geräusch enthaltend, lässt das Rauschen scheinbar nichts erkennen, ausser für den, der genauer hinhört und vor dessen innerem Auge Ereignisse sich abspielen, die, in zunehmendem Masse den Klangteppich entknüpfend, die einzelnen Fäden betrachtend, deren Fasern mit der Lupe untersuchend, ihn mit ihrer unerträglichen Überdeutlichkeit überfluten, ihm das Elend offenbaren, ihn schliesslich in abgestumpfte Erschöpfung schmettern. Ein scheinbar friedliches Rauschen nur; es entpuppte sich zur hundertfachen Tragödie.

Die Emotion ist von derartiger Grösse, dass er ihr augenblicklich demütig erliegt. In bitterer Tapferkeit blickt er auf das kalte Gesicht der vor ihm sich entblössenden Realität: Ihre kristallklare, reine Kälte liess ihn erschaudern, überfordert vor so viel trauriger Schönheit.

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