Im Galopp jagte er seine fuchsrote Stute Sanuye über die goldfarbenen Weiden. Vorbei an den Rebbergen, in Richtung Waldrand. Rasch warf er einen Blick hinter sich um zu sehen ob seine beiden Freunde ihm folgten. Terry hing ihm dicht an den Fersen, während Sarah ein ganzes Stück abfiel.
„Schau dir mein Gesicht gut an, gleich wirst du nur noch den Hintern meines Pferdes sehen!“, rief ihm Terry zu und spornte seinen Hengst mit einem Pfiff an. „Los, Athos! zeigen wir es ihm!“
„Vergiss es, Terry!“
So einfach würde er es seinem Freund nicht machen. Er spornte seine Stute noch heftiger an. Doch Terry liess sich nicht abhängen. Im gestreckten Galopp holte er mit Athos langsam auf und als sie den Waldrand erreicht hatten, ritten sie Kopf an Kopf.
Am Horizont konnte er bereits das Ziel ausmachen. Eine Anhöhe mit einer Ansammlung grosser Drehkiefern, die das Ufer eines Wildbachs säumten, dessen Verlauf einige Meter weiter in einem kleinen Wasserfall vor sich hin plätscherte.
Auf halber Strecke, spürte er wie Sanuye ermüdete. Dieses Mal würde er das Wettrennen verlieren. Kurz bevor sie die Anhöhe erreichten, zog Terry davon und sprang mit mehreren Metern Vorsprung über den Bach.
„Ich habe Marc den Achtbaren geschlagen!“, jubelte Terry. Übermütig sprang er vom Pferd und setzte zu einem Siegestanz an.
„Pass lieber auf, dass du Athos mit deinem gehüpfte nicht scheu machst“, mahnte Marc als er von Sanuye stieg und sie an einer der Kiefern festband.
„Du bist bloss eingeschnappt, weil du verloren hast.“
„Das bin ich nicht“, erwiderte Marc gleichgültig. Er wartete bis Terry Arthos festgebunden hatte, dann stürzte er sich auf ihn.
„Bin ich überhaupt nicht!“, rief er und riss Terry zu Boden.
Terry schrie überrascht auf. „Ah! Na warte!“
Sie rauften sich im Gras, jeder bemüht die Oberhand zu gewinnen. Marc hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite, doch Terry war kräftiger als er. Sie wälzten sich eine Weile auf dem Boden und kamen dem Bach dabei gefährlich nahe. Als Marc mit einem Fuss ins Wasser platschte, gab er für einem Moment nach. Terry nutzte die Situation geschickt aus und drehte Marc auf den Rücken. Rasch setzte er sich auf ihn und drückte seine Arme am Handgelenk auf den Boden während er mit den Füssen seine Beine fixierte.
„OK!“, keuchte Marc. „Ich kapituliere, Terry! Du bist zu stark für mich.“
„Du gibst also zu, dass ich der Stärkere bin?“, fragte Terry kämpferisch und hielt ihn noch immer fest.
Marc wandte sich unter ihm und versuchte sich aus seinem Griff zu lösen. Nach einigen Versuchen gab er auf.
„Ja, du hast mich bezwungen“, bestätigte Marc und fügte mit einem Grinsen hinzu: „Terry der Stattliche!“
„Du machst dich über mich Lustig“, beschwerte sich Terry.
„So etwas würde ich nie machen“, erwiderte Marc mit Unschuldsmiene.
Terry musterte ihn skeptisch. „Und ob du das tust! Aber ich mag dich viel zu sehr mein Freund, als dass mich das kränken könnte.“
Er löste seinen Griff und rappelte sich auf. „Du hast gut gekämpft. Vielleicht bezwingst du mich ja im nächsten Sommer.“
„Ich werde es zumindest versuchen“, sagte Marc und ergriff Terrys ausgestreckte Hand. Die Rauferei mit Terry hatte ihn erregt. Verlegen klopfte er sich den Schmutz von den Kleidern und setzte sich im Schatten ins Gras. Von hier aus bot sich ihnen eine eindrucksvolle Aussicht. Unmittelbar vor ihnen breitete sich das Tal mit seinen gebräunten Wiesen, den weitläufigen Weinbergen und dem tiefblauen Wasser des Okanagan Sees aus. Sarah hatte ihnen dieses lauschige Plätzchen vor zwei Jahren gezeigt. Seit da trafen sie sich regelmässig an diesem Ort wenn sie, von den Erwachsenen ungestört, zusammen herumlungern und plaudern wollten.
Terry legte sich neben Marc auf den Rücken und betrachtete die vorbeiziehenden Wolken. Er schien Marcs Verlegenheit nicht zu bemerken.
„Hey, Marc!“
„Hmmm?“
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht drehte sich Terry zu ihm. „Ist das eine Banane in deiner Tasche, oder…?“
Marc lief auf der Stelle puderrot an. „Was? Nein…, scheisse!“ Beschämt drehte er Terry den Rücken zu.
„Mach dir deswegen keinen Kopf. Wir sind 15, da kann so etwas vorkommen“, amüsierte sich Terry.
„Das sollte es aber nicht. Wir sind beide Jungen“, murmelte Marc.
Terry musste lachen. „Du bist so was von verklemmt!“
Marc fuhr herum und sah Terry verärgert an. „Hör auf zu lachen. Das ist nicht Witzig.“
„Doch, eigentlich schon“, sagte Terry erheitert und legte sich wieder auf den Rücken. Für ihn war die Sache erledigt.
Vom Waldrand her drangen Hufschläge zu ihnen.
„Ah, da kommt ja auch Sarah die Liebreizende“, bemerkte Terry mit einem Kopfnicken. Er machte sich einen Spass daraus Namensergänzungen für Leute auszudenken, die wie er fand, zu ihrem Charakter passten.
„Du wirst doch Sarah nichts davon erzählen?“, fragte Marc erschrocken.
„Jetzt beruhige dich mal wieder. Ich werde weder Sarah, noch sonst jemandem davon erzählen. Es ist nichts passiert, dass es Wert währe darüber weitere Worte zu verlieren.“
Terry gab Marc einen Schups. „Jetzt vergiss diese alberne Sache und geniesse mit uns den letzten Ferientag.“
„Müsst ihr Beide euch immer duellieren?“, fragte Sarah müde, als sie bei ihnen eintraf.
„Entschuldige, Cousine. Nächstes Mal werden wir uns zurückhalten und gemächlich neben dir her reiten“, beteuerte Marc und zog die Worte dabei absichtlich in die Länge. Sarah band ihre weisse Stute bei den beiden anderen Pferden fest und warf ihm einen schnippischen Blick zu. „Pfff... Versprich nichts, woran du dich bereits Morgen nicht mehr erinnern kannst.“
„Ich leide nicht an Gedächtnisschwund“, entrüstete sich Marc. „Aber sollte ich es dennoch bis zum nächsten Sommer vergessen haben, wirst du mich bestimmt daran erinnern.“
„Es wird das Erste sein, das du in den nächsten Ferien zu hören bekommst“, bestätigte Terry während Sarah sich zu ihnen setzte.
„Solltest du das nicht gleich in dein Tagebuch schreiben?“, erkundigte sich Marc und deutete auf das Buch in ihrer Hand. Sarah betrachtete das Buch einen Moment und schlug es unvermittelt Marc über den Kopf. „Das ist ein Roman und kein Tagebuch du Troll.“
„Aua!“, lachte Marc. „Ich bin froh, wenn ich Morgen wieder zurück in die Stadt kann. Hier draussen auf dem Lande sind die Menschen einfach zu gewalttätig.“
„Na, das sagt gerade der Richtige“, grunzte Terry. „Schliesslich warst du es, der die Rauferei begonnen hat.“
Sarah schüttelte den Kopf. „Jungs, ihr seid echt kindisch!“
„Deshalb magst du uns auch so“, entgegnete Terry und hauchte ihr einen Kuss zu.
„Hey, Leute!“, sagte Marc überraschend und stand auf. „Ich werde euch und die Ausritte hierher echt vermissen.“
Er machte ein paar Schritte zum Abgrund und sog die warme Augustluft durch seine Nase. Es roch nach feuchtem Holz und überall war das Surren von Insekten zu hören.
„Ich wünschte die Sommerferien würden Ewig dauern.“
Jugenderinnerungen: Sommerferien im Okanagan Valley
Re: Jugenderinnerungen: Sommerferien im Okanagan Valley
Hey Spheres,
ich bin kein begeisterter Leser von Belletristik, schaue lieber Filme. Deine reizende Episode lief mir aber vorm geistigen Auge ab wie ein Film, weshalb ich sie gerne gelesen habe.
LG Fenek
ich bin kein begeisterter Leser von Belletristik, schaue lieber Filme. Deine reizende Episode lief mir aber vorm geistigen Auge ab wie ein Film, weshalb ich sie gerne gelesen habe.
LG Fenek
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