Theaterblut - Ein Roman der anderen Art

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Veleny
Kerberos
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Theaterblut - Ein Roman der anderen Art

Beitragvon Veleny » 13.01.2010, 00:02

Hallöchen :-D

habe vor 2 Jahren mit meinem Buch angefangen, bin jetzt fast fertig und träume davon, dass es zu einem Verlag kommt. :-&

Wäre sehr nett von euch, wenn ihr euch die Mühe machen würdet und etwas Kritik hinterlasst ;-)
Das ist alles noch in der ersten Fassung und ziemlich kurz gehalten. Bin für jeden Tipp dankbar.

Die ersten 3 Kapitel

Theaterblut

Lillians Entscheidung
Vorwort


das gefährlichste Alter ,
ist das , zwischen Leben und Tod .
Doch wie gefährlich ist es ,
wenn man nach dem Sterben weiterlebt ?

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Aber fast. Nach dem Sterben ist das Leben, wenn man das überhaupt so nennen kann, gefährlicher denn je. Du darfst erstmal nicht entdeckt werden. Solange deine Verwandten, Freunde und sonstige Leute, die dich kennen, leben, dürfen sie dich nicht sehen. Bei mir hat das fast siebzig Jahre gedauert. Ich habe mich in dunklen Gassen versteckt und die Jahre flossen zäh an mir vorbei. Um eines zu betonen, das alles war nicht meine Entscheidung. Ich wurde, nun ja, gezwungen .

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1
Patrik's Ermordung


Freitag, 16. Oktober, nachmittags,
Nein, jetzt habe ich echt keinen Bock mehr. Diese andauernden Hassattacken halte ich langsam nicht mehr aus. Immer beleidigen sie mich und versuchen mir das Leben zur Hölle zu machen. Am Anfang war mir das zwar so ziemlich egal, aber jetzt kann ich nicht mehr . Widerliche, unreife Klasse. Ich will umziehen. Sofort!

„Patrik ?“, rief ich zuckersüß.
„Ja ?“, rief er als Antwort.
Statt erneut herunter zu schreien, lief ich die Treppe hinab und rutschte ins Wohnzimmer. Wie sollte ich nur anfangen?
„Patrik, ich will hier raus . Raus aus dieser Stadt . Einfach nur weg.“, mit einem traurigem Blick schaute ich ihn an. Ich konnte sein Gesicht nicht deuten. War er wütend? Verletzt? Verzweifelt? Ich hatte keine Ahnung.
„Eine neue Stadt ?“, fragte und hob eine Augenbraue.
„Ja. Ich will hier weg!“, das hörte sich sogar überzeugend an.Vorsichtig setzte ich mich neben ihm auf das helle Sofa. Ein scheinbar ewig lange Stille belegte den Raum. Ich rutschte hin und her. Nur selten war ich in meinem Leben so nervös gewesen.
„Du weißt, dass ich dich solange wie möglich bei mir behalten möchte. Ich liebe dich wie meine eigene Tochter und das weißt du auch. Aber wenn du das unbedingt möchtest, können wir das einrichten.“, er sah mich an und wartete auf meine Reaktion. Die kam plötzlich.
„Was? Oh Danke, danke, danke !“, ich fiel ihm um den Hals.
Patrik sah mich freundlich an und sein Gesicht war von Lachfalten durchzogen. Es freute ihn sehr wenn er mich glücklich machen konnte. Geld spielte bei ihm keine Rolle . Er war ein ziemlich hohes Tier in der Werbe-Branche . Mein Taschengeld wurde fast jeden Monat erhöht. Ich stand jetzt bei über vierzig Euro. Nicht schlecht oder? Was würde er nicht alles für seine kleine Maus tun?
„Lilly, ich werde mich gleich morgen darum kümmern . Versprochen.“, er drückte mir einen Kuss auf. Ich schauderte. Aber nicht wegen seines Kusses. Ein Kuss auf die Wange ist ja nichts Besonderes. Nein ich schauderte wegen meines Namens.
Mein Name ist Lillian Cana Surez . Und so wie sich mein Name anhört, sehe ich auch aus. Schwarze Haare, leicht dunkler Hautton, braune Augen. Ich hasse meinen Namen. Vor allem wenn mich Patrik Lilly nennt. Das hört sich an als ob er mit einer Dreijährigen sprechen würde. Schrecklich !
„Danke, Patrik! Ich koch auch heute.“ , flüsterte ich und stand auf. So wie ich Patrik kannte, und ich kannte ihn gut, würde er mich nur ausnahmsweise an den Herd lassen. Er hatte zu große Angst, dass ich etwas anbrennen lassen würde. Im allgemeinen war er aber nett. Ein kleiner, leicht rundlicher Mann mit blauen, freundlichen Augen und zartem braunem Haar.
„Aber nur ausnahmsweise, Lilly. Nicht dass du dich überarbeitest.“, noch immer lächelte er, schaute aber in eine andere Richtung. Patrik hatte den Fernseher eingeschaltet und blickte interessiert den Fußballern auf dem Bildschirm zu. Ich ging langsam und lustlos in die Küche. Was hatte ich mir nur dabei gedacht ?
Meine Kochkünste wurden nicht oft in Anspruch genommen. Nach einem kleinem Zwischenfall wollte das niemand mehr austesten. (Ich hatte mal einen Kuchen für meine damalige Freundin Sara gebacken. Nach ihrem Geburtstagsfest saßen alle Mitesser wochenlang auf dem Klo .)
Ich biss mir auf die Lippe. Dann öffnete ich den Kühlschrank. Nicht sehr berauschend.
„Verdammter Mist! Was mach ich denn jetzt?“, murmelte ich leise. Ich starrte auf das Küchenfenster, dann kam mir die Idee. Pizza-Service!
Unser Küchenfenster ist von ordentlicher Größe. Dahinter liegt nur unser Garten.
Ich schob das Fenster auf und kletterte über die Theke nach draußen. Mein Fuß blieb am Fensterrahmen hängen und riss eine Kachel heraus . Verdammter Mist!
„Lilly?“, rief Patrik aus dem Wohnzimmer.
„Alles in Ordnung. Nichts passiert.“, schrie ich zurück. Dann hielt ich die Luft an und rutschte den Rest herunter. Wenn mich Patrik jetzt rufen würde, wäre ich geliefert. Mit leisen, aber flinken Schritten umrundete ich das Haus und duckte mich, als ich am Wohnzimmerfenster entlang ging. Meine Schritte knirschten nur leise, trotzdem ging ich langsam. Als ich auf dem Gehweg stand blickte ich mich um. Patrik hatte zu einer Quizshow geschaltet, und rätselte eifrig mit. Der Nachbar mähte den Rasen und links war einfach nur Land. Wir lebten am Ende der Welt. Ein Nachbarhaus leistete uns Gesellschaft. Der Rest war ein einfaches Wäldchen und eine Straße die sich in den belebteren Teil der Stadt schlängelte.
Schnell schnappte ich mir mein Fahrrad und fuhr mit rasender Geschwindigkeit in die Innenstadt. Die Bäume sausten an mir vorbei und ein Autofahrer hupte wütend, als ich die Straße überquerte. Ich folgte der Straße bis zum Torbogen. Dann fuhr ich quer durch die Fußgängerzone. Ein älteres Ehepaar zischte wütend, als ich vorbei sauste. Ich lächelte und hielt vor dem Pizza-Haus an.
„Ah, signorine Lillian!”, begrüßte mich Pablo , der Pizzabäcker.
Ich lächelte freundlich und bestellte eine Schinkenpizza mit Pilzen.
Hoffentlich hatte Patrik noch nichts von meinem Verschwinden gemerkt.
„Hier, stimmt so, Pablo.“, sagte ich und drückte ihm etwas Geld in die Hand. Ohne mich zu verabschieden, rannte ich aus dem Laden.
Dann schwang ich mich auf mein Fahrrad und radelte schnellst möglich zurück. Ich hatte nicht mehr viel Zeit, dass wusste ich. Irgendwann würde Patrik misstrauisch werden, da kein Geräusch zu hören ist. Dann würde er in die Küche kommen, niemanden sehen und die die zerstörte Kachel bemerken. Er würde durchdrehen!
Kurz vor unserer Auffahrt wurde ich langsamer, sprang ab und schob das Fahrrad durch das Garagentor. Ich lauschte. Der Fernseher lief nicht mehr.
Langsam schlich ich zum Küchenfenster. Aber nichts. Kein Patrik.
Nach einem winzigen und leisen Seufzer, krabbelte ich durch das Küchenfenster zurück. Gar nicht so einfach mit einem Pizzakarton in der Hand. Zum Glück folgte keine Kachel dem Beispiel der ersten. Schnell holte ich einen Teller aus dem Schrank und platzierte die Pizza darauf.
„Patrik, ich bin wieder ... äh … fertig !“, rief ich und trat aus der Küche.
Mein Blick hatte sich gerade auf Patrik geheftet, da fiel mir der Teller aus beiden Händen. Mein Adoptivvater lag quer über dem Sofa, kein Laut von sich gebend.
Der Fernseher war ausgeschaltet und die Fernbedienung lag auf dem Gerät. Die Zeitung in der er, wohl während meiner Abwesenheit, geblättert hatte , war zusammen gelegt und auf den Stapel mit Kaminholz gelegt.
Ich unterdrückte einen Schrei. Nein! Nein, das darf nicht sein! Ich fiel vorn über und stürzte zu ihm. Er musste leben!
„Patrik ?“, flüsterte ich erstickt. Langsam glitt meine Hand zu seiner Brust.
Kein Herzschlag.
Nur mühsam konnte ich einen Schrei unterdrücken. Ich blinzelte einige Male und rannte dann zum Telefon. Mit zitternden Fingern wählte ich die Nummer der Polizei. Was war nur in meiner kurzen Abwesenheit passiert?!
„Hier Wachtmeister O'Neil.“, er klang gelangweilt .
„Mein Vater wurde ermordet!“, flüsterte ich, noch immer schockiert.
Er wurde hellhörig. „Wer ist denn da dran?“
„Lillian Surez.“
„Wir werden sofort einen Wagen schicken. Adresse ?“
„Cellister Street 4.“
Ich hielt den Hörer noch in der Hand als Wachtmeister O'Neil schon aufgelegt
hatte. Meine Augen waren geschlossen. Mein Atem ging immer schneller . Gleich würde ich einen Kollaps kriegen. Einen kurzen Augenblick dachte ich daran einen Krankenwagen zu rufen. Doch das hektische Klopfen schreckte mich hoch. Der Hörer fiel zu Boden, die Plastikhülle bekam einen Riss.
Mein Kiefer verkrampfte, als ich die Tür öffnete.
„Lillian?“ , eine junge Frau kam auf mich zu. Ein Schleier trat auf meine braunen Augen. Polizisten liefen an mir vorbei. Ich bemerkte sie nicht.
Die Frau legte einen Arm um mich. Sie schob mich aus der Tür und in einen schwarzen Wagen. Fragte sie mich etwas? Hatte sie etwas gesagt? Meinen Ohren schienen mit Watte verstopft, meine Augen blind und meine Bewegungen wie in Zeitlupe. Ich bemerkte kaum etwas.
„Du wirst ja immer blasser!“, sagte sie erschrocken und hielt mir ein Glas Wasser hin. Ich lehnte mit einer Kopfbewegung ab.
„Bist du wieder bei dir ?“, fragte sie jetzt schien sie etwas erleichtert.
„Nein.“, antwortete ich und wurde mir der Sache erst jetzt bewusst.
„Ich bin Valerie Firth. Seit kurzem bin ich als Psychologin für die Polizei zuständig.“, sagte sie ruhig und legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Er ist tot .“, stammelte ich und lehnte mich zurück.
„Er ist tot! Verdammt, Patrik ist tot!“, ich schrie. Jetzt war alles vorbei. Alles.
„Beruhige dich ein bisschen. Wir werden eine neue Familie für dich finden. Alles wird gut, Lillian.“, sie lächelte zaghaft.
Nein, nichts würde wieder gut werden. Ich wollte keine neue Familie. Lieber würde ich sterben. Nur wenige Leute akzeptierten mich. Irgendetwas schien den anderen zu sagen, dass sie sich von mir fernhalten sollten.
Aber was sollte ich jetzt tun? Patrik war tot und ich allein.
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2
Ich hasse Oldtimer !
Sonntag , 18. Oktober, spät abends
Es ist Sonntag. Ich bin von Patrik's Beerdigung zurück. Es regnete in Strömen, doch es hat niemanden gestört. Alle sprachen sie ihr Beileid aus, aber was soll das bringen? Nichts, ich fühle mich nur noch schlechter. Jetzt liege ich im Gästezimmer von Mrs Firth. Der Regen prasselt immer noch gegen das Fenster. Irgendwie hat das etwas Beruhigendes. Mein Koffer ist schon längst wieder unten in ihrem Wohnzimmer. Denn morgen geht es auf in die Ferne. An die Schweizer Grenze. In ein Internat .

„Guten Morgen Lillian! Möchtest du etwas frühstücken?“, begrüßte mich Mrs Firth, als ich die Treppe herunter schlurfte.
„Nein, danke. Ich möchte nur einen Cappuccino.“ , antwortete ich mit monotoner und ziemlich müder Stimme. Mein Alptraum würde in etwa einer Stunde Realität werden.
„Kein Problem, Lillian.“ ,sie lächelte und verschwand in der kleinen Küche. Nach kurzem Wühlen hörte ich das Brummen der High-Tech Kaffeemaschine.
„Ich geh kurz ins Badezimmer.“, rief ich und schlurfte die Treppe hoch.
Meine Haare hingen in fettigen Strähnen um mein Gesicht. Unter meinen trüben Augen lagen dunkle Schatten. Im grellem Licht der Leuchtröhre über dem Spiegel schien mein Gesicht fahl und blass, meine Lippen, ein starker Kontrast. Mit einem müdem Schritt ging ich zur Dusche, zog mich aus und ließ das kalte Wasser über mich laufen. Jeder normale Mensch bräuchte Überwindung um das durchzustehen, ich spürte nichts. Ich griff nach einem Shampoo und wusch mir die Haare ungründlich. Nach dem der letzte Schaum verschwunden war, stieg ich aus der Dusche, wickelte ein Handtuch um meinen Körper und föhnte meine Haare trocken. Meine schwarzen Haare wirbelten um mein Gesicht . Die heiße Luft tat mir gut. Schnell schlüpfte ich in meine Klamotten. Dann lief ich die Treppe herunter und nahm meinen Cappuccino in Empfang.
„Danke.“, murmelte ich nach einem kleinem Schluck.
„Ist doch nicht die Rede wert.“, Mrs Firth hatte sich auf einen der roten Barhocker gesetzt und aß langsam ihr Früchtemüsli. Irgendetwas kam mir verdammt scheinheilig vor. Mein Vater war tot und diese Psychologin hatte mit mir nicht ein Wort darüber geredet. Ich habe zwar keine Ahnung von Psychologie, aber sollte man alles verschweigen? Stillschweigend waren wir die beiden Tage zusammen gewesen. Wir hatten nur über das Essen, das Internat und das Wetter geredet. Und auch über diese Themen nur sehr wenig. Das kommt mir alles so falsch vor!
Plötzlich schreckte Mrs Firth hoch. „Ach du meine Güte!“, rief sie und sprang auf. Der Löffel fiel auf die kalten Marmorfliesen. Ich hob den Kopf und blickte sie an. In ihrem Gesicht waren kleine rote Punkte. Ihre blonden Haaren, durch die sie sich eben gefahren war, total zerzaust. Nur mühsam konnte ich das Hochziehen meiner Augenbrauen unterdrücken.
„Wir haben die Zeit vollkommen vergessen! Schnell, zieh dir Schuhe an, die Jacke auch und husch husch ins Auto!“, na super. Erster Schultag in einem teurem Internat und ich würde zu spät kommen. Mein Leben war perfekt.
Ich glitt vom Hocker, schlich in den Flur und schlüpfte in die halbhohen Pumps. Dann ging ich zurück und griff mir den Cappuccino, stellte ihn auf die Kommode, zog mir die Jacke an und lauschte . Mrs Firth rumpelte in ihrem Zimmer herum.
Mit zittrigen Händen öffnete ich die Tür und ging in Richtung Auto. Ich atmete tief durch und setzte mich auf den schmuddeligen Sitze. Es rumpelte als Mrs Firth meine Koffer hinten rein warf. Dann stieg sie ein. Mit einem hektischen Lächeln gab sie Gas.
Während der Fahrt zum Flughafen war ich nicht wirklich bei mir. Ich hörte zwar die Musik und die vorbeifahrenden Autos, doch in Gedanken stellte ich mir das Internat vor. Es war riesig und alle Schüler starrten mich an. Meine Vergangenheit und jedes intime Detail kam ans Licht. Sie rissen mich innerlich auseinander, diese reichen Streber. Hätte ich es gekonnt, wäre ich mit Tränen im Gesicht aufgewacht. Doch ich konnte nicht aufwachen, denn ich war nur in einem Dämmerzustand gewesen. Meine Augen hatten starr und trüb nach vorne geblickt. Ich blinzelte einige Male und streckte meine Finger.
„Wie weit ist es noch?“, fragte ich leise.
Mrs Firth drehte sich nicht um. „Noch eine halbe Stunde, Lillian.“
So lange sollte ich mich noch auf der Rückbank quälen? Ich hielt es kaum aus. Meine Gedanken taten weh. Ich wollte wieder zu Patrik, wieder zurück in meine Stadt und in die grässliche Schule. Zurück in meine Klasse. Zurück zu den täglichen Hänseleien. Einfach zurück in eine normale Welt. Was sollte ich in einem Internat? Ich kannte doch niemanden.
Erneut starrte ich durch die verregnete Windschutzscheibe und an den rasenden Scheibenwischern vorbei. Vor uns fuhr eine junge Frau mit einem kleinen Kind .
Das Kind saß vorne in einem Kindersitz und die junge Frau hatte eine Hand auf das Bein des Kindes gelegt.
„Mrs Firth ? Glauben sie, dass das die leibliche Mutter des Kindes ist ?“, meine Stimme war schmerzerfüllt .
„Was meinst du?“, fragte sie und blickte mich aus dem Rückspiegel an .
„Ist schon gut.“, murmelte ich . Natürlich konnte sie das nicht sehen. Sie hatte erstens ihre Kontaktlinsen vergessen und die Brille würde sie, zweitens, nicht aufsetzen. Eitel war sie schon.
Langsam konnte ich den Flughafen erkennen, eine Maschine hatte gerade abgehoben. Hoffentlich war es nicht mein Flugzeug.
Mrs Firth parkte ein und ich sprang aus dem Auto. Ich hatte das Gefühl wir müssten uns extrem beeilen. Und damit hatte ich scheinbar Recht.
„Lillian, hier, nimm diesen Koffer. Ich nehm den hier. Komm wir müssen uns beeilen.“, keuchte Mrs Firth und wuchtete die Koffer heraus. Schnell schloss sie ihren Wagen ab und lief mit mir ins Gebäude.
Sie klärte alles so schnell, dass ich schon nach wenigen Minuten im Flieger saß. Ich hatte mich von ihr nur spärlich verabschiedet. Eine flüchtige Umarmung, das wars dann auch schon.
Der Flug kam mir sehr kurz vor. Ich war die ganze Zeit angeschnallt gewesen und hatte so getan , als ob ich eingeschlafen wäre. Im Moment konnte ich einfach nicht sprechen. Ich wollte der Stewardess nicht sagen , dass ich keinen Appetit hatte, ich wollte mich nicht mit einem nervigen Sitznachbarn unterhalten und ich wollte nicht aus dem Flugzeug aussteigen. Am liebsten wäre ich einfach sitzen geblieben und hätte vor dem Neuem die Augen verschlossen. Obwohl, am liebsten wäre ich wohl bei Patrik gewesen. Doch das war ja wohl unmöglich.
Als ich aus dem Flieger stieg und meine Koffer gefunden hatte, stieß mein Blick auf einen älteren Herren . In der Hand hielt er ein Stück Papier. Darauf stand mein Name. Peinlich? Nein, ziemlich sinnvoll. Neben mir hörte ich schon die Ausrufe:
Haben sie mich etwa vergessen? Sie hat doch gesagt, dass sie mich abholt. Er sollte doch hier stehen.
Mit meinen Koffern ging ich zu diesem Herrn hin. Meine Deutschkenntnisse hielten sich zwar im guten Bereich auf, aber wer weiß was der von mir wissen wollte.
„Hallo ? Ich bin Lillian .“ , stellte ich mich vor .
Der Herr musterte erst mich, dann meine Koffer. In seinem faltigen Gesicht breitete sich ein sanftes Lächeln aus. Er wusste wohl über mich und Patrik Bescheid.
„Guten Tag , ich bin Werner Lambert , der Rektor des Internats . Wie war dein Flug ?“ Ich erzählte ihm sehr knapp wo ich vorher wohnte, wie mein Flug war und was ich vom Internat so wusste. Nämlich nichts.
Er lachte und zog einen meiner Koffer mit nach draußen. Es war angenehm warm und schön sonnig. Auf den Parkplätzen standen eigentlich fast nur normale Autos. Doch ein Oldtimer stach heraus. Er war schwarz lackiert und die Kotflügel weiß.
Bitte nicht in dieses Auto!, flehte ich in Gedanken und folgte Herrn Lambert.
Ich fluchte leise , als er das Türschloss vom Oldtimer öffnete. Das war ja mal wieder klar. Ich setzte mich auf den weichen, mit weißem Leder überzogenen Sitz und lehnte mich vorsichtig zurück. Das Pappschild war ja nicht peinlich. Aber mit diesem Auto und dem Rektor zur neuen Schule gefahren zu werden, das schon!
Ich schluckte und wir fuhren los. Langsam sah ich die Gebäude auf mich zukommen. Es war ein großes Haus aus roten Ziegelsteinen. Daneben standen zwei kleine Häuser und eine Sporthalle. Auf den Bänken saßen einige Schüler und schauten mich an. Ich hätte schreien können. Dann parkte er auf dem großen Sandplatz und ich stieg aus. Man war dieser Rektor peinlich! Mit Leichtigkeit nahm der alte Mann die Koffer heraus und zog sie in das große Gebäude. Ich folgte ihm und konnte nur schwer die Blicke meiner neuen Mitschüler ignorieren.
Im Haupthaus war es kühl, eine Klimaanlage surrte. Der Flur war mit Teppich ausgelegt. Ein schmutziger rot-gelber Teppich. Die Wände waren mit einer gelben Raufasertapete ausgestattet, die auch schon mal besser aussah.
Er öffnete eine Tür, der Geruch von Tinte und frischem Papier wehte mir um die Nase, und eine Frau blickte hoch.
„Frau Jacobs, das ist Lillian Surez. Würden sie ihr bitte alles geben was sie für den Anfang braucht? Dankeschön.“, damit verabschiedete er sich und verschwand aus dem Raum. Wie nett.
„Wie schön dass du endlich da bist. Also“, sie holte einen kleinen Stapel Papier heraus, „das ist dein Stundenplan, das eine Gebäudebeschreibung, deine Zimmernummer, deine Klassenliste und eine Übersicht mit dem was bisher gemacht wurde. Wenn du noch irgendetwas brauchst, kannst du hierher kommen.“, sie überreichte mir das Papier und widmete sich wieder ihrer Arbeit.
Langsam zog ich meine Koffer hinter mir her und blickte danach auf den Plan. Die Zimmer lagen im Haupthaus im erstem , zweitem und drittem Stock. Mein Zimmer sollte im zweiten Stock liegen und die Nummer 34 haben. Bitte alles nur kein Einzelzimmer.
Wie die mich anstarrten! Schrecklich. Langsam ging ich durch das Gebäude. Immer wieder kamen mir Schüler entgegen.
Die Treppen bereiteten mir am meisten Sorgen. Mit jeder Stufe kamen mir die Koffer schwerer vor.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als ich endlich vor der Zimmertür 34 stand. Aber ich hatte es geschafft. Zaghaft klopfte ich an, ich war mir sicher, dass es kein Einzelzimmer war. Dann öffnete ich die Tür.
__________
3
Wessen Theater ist das ?

Als ich die Tür geöffnet hatte, blickte ich in die Augen von drei Mädchen.
Eine war groß, schlank und braun haarig, eine andere, ebenfalls groß, aber blond und die andere klein, blass und hatte violett gefärbte Haare.
„Bist du Lillian?“, fragte die mit den violetten Haaren. Ihre Stimme klang neugierig. Nicht unfreundlich, wie ich gedacht hatte.
„Ja .“ , sagte ich knapp und schloss die Tür hinter mir.
„Ich bin Natalie, das ist Emma und das ist Charlene.“ , sie lächelte freundlich.
Emma, die brünette, zeigte auf das freie Bett. Es war das Oberteil eines Hochbettes .
„Da kannst du schlafen. Oder unten. Je nachdem wie du möchtest. Dein Schrank ist da vorne. Aber glaub mir, so viel wie du an Klamotten mitgebracht hast, passt da nicht rein. Nicht mal ich hab all meine Sachen unterbekommen.“, sie lachte und deutete auf die Koffer, die unter den Betten standen. Ich lächelte vorsichtig und setzte mich dann auf das Sofa das im Zimmer stand. Meine Koffer ließ ich stehen.
Das Zimmer war eigentlich ganz hübsch eingerichtet. Die Wände waren, was hatte ich anderes erwartet, rosa. An der langen Seite standen die zwei Hochbetten hintereinander. Unter dem Fenster war eine lange Arbeitsplatte angebracht. In der Ecke stand das Sofa auf dem ich jetzt saß. Die Schränke standen neben der Tür.
Charlene, die etwas pummeligere, wandte den Blick zu mir. „Wie viel weißt du eigentlich über unser Internat ?“, fragte sie plötzlich.
„Nichts.“, flüsterte ich. Ihre Stimme hatte irgendetwas einschüchterndes.
Natalie und Emma blickten jetzt auch zu mir.
„Wie, nichts ?!“, fragten alle drei gleichzeitig.
Ich atmete tief durch und hob den Kopf. „Vor zwei Tagen ist mein Adoptivvater...“, ich schluckte, „ermordet worden. Eine Psychologin hat mich hierher geschickt.“
Natalie kamen vor Schreck ein paar Tränen. Emma war wie vereist und Charlene legte zaghaft einen Arm über meine Schulter.
„Ist schon gut.“, flüsterte ich mit belegter Stimme, „Ich möchte nur nicht darüber reden.“
Charlene nahm den Arm wieder herunter und blickte Natalie an. Die hatte sich inzwischen die Tränen getrocknet.
Emma hatte sich als erste wieder gefasst. „Also … das ist ein Theaterinternat .“
Ich straffte meine Haltung . Theater ? „Theaterinternat ?“
„Ja, wir haben sechs Stunden Schauspielunterricht. Dazu noch den normalen Unterricht. Jeden Monat schreiben wir zu jedem Fach eine Arbeit. Und alle drei Monate spielen wir eine Aufführung. Das Stück an dem wir momentan arbeiten musst du aber nicht mitmachen. Wir spielen ja schon nächsten Monat.“ , sie lächelte.
Natalie schaute auf ihre Armbanduhr. „Noch fünf Minuten.“ , sagte sie. Emma und Charlene schnappten sich ihre Taschen. Auch ich hatte einen Ranzen vorbereitet. Es war eine einfache graue Tasche mit leeren Heften und Mappen.
Schon waren die beiden draußen. Natalie stopfte noch einige Bücher in die Tasche.
„Hast du schon die Bücher bekommen?“, fragte sie und schaute mich an. Ich schüttelte den Kopf.
„Du kannst neben mir sitzen. Um mich machen viele immer einen großen Bogen.“, sie lächelte.Das kam mir bekannt vor.
„Dann sind wir ja schon zwei.“, flüsterte ich und ging mit ihr durch den Korridor.
„Wir haben gleich Deutsch, danach Mathe und zum Schluss zwei Stunden Schauspielunterricht.“ , sagte sie und ging schnell die Treppe runter. Ich hatte zwar keine Mühe ihr zu folgen, ging aber trotzdem ein wenig langsamer.
Sie öffnete, nach einen kurzen Weg durch das Erdgeschoss, die Tür zum Klassenzimmer.
Wieder starrten mich alle an. Ihre Blicke waren unerträglich. Scheinbar war auch Natalie ein Außenseiter, wenn auch nicht so schlimm wie ich es immer war. Ohne sich um die Blicke zu kümmern setzte sie sich hin und deutete auf den freien Platz neben ihr. Zögernd setzte ich mich hin.
„Kümmer dich nicht um die anderen.“ , flüsterte sie als es lauter wurde. Natalie schlug die Beine übereinander und starrte auf die Tür. Dann kam eine schlanke , Frau mittleren Alters herein. Sie schaute sich die Sitzplätze an und blieb an meinem hängen. Sie lächelte warm und stellte sich hinters Pult. Dann packte sie einige Bücher, Mappen und Hefte auf den Tisch.
„Guten Morgen , Klasse!“ , sagte sie mit starker Stimme. Die gesamte Klasse wurde ruhig. „Wie ihr vielleicht schon bemerkt habt, haben wir eine neue Schülerin. Klasse, das ist Lillian Surez.“ , das wars mit der Begrüßung, der Unterricht begann.
Es wurde ein Text von irgendeinem Dichter gelesen und analysiert.
Den Matheunterricht überstand ich gerade so. Es war todlangweilig. Zinsrechnung fand ich einfach nur öde.
Doch der Schauspielunterricht war viel interessanter. Zum Einen weil ich endlich erfuhr was ein Theaterinternat überhaupt war, zum Anderen weil ich Marc kennen gelernt hab.Es war eigentlich nur ein Zufall.
Gerade hatte ich mich auf einen Stuhl vor der Bühne gesetzt, als plötzlich die Doppeltür aufging und an den Wänden abprallte. Ein blonder Junge rannte zur Bühne. Er war etwa 17, groß hatte die blonden Haare hochgegelt. Der Schauspiellehrer hatte gerade angefangen die Kostüme zu verteilen und war hinter der Bühne mit den Schülern. Als der Junge mich sah, blieb er verdutzt stehen.
„Wer bist denn du?“, fragte er und blickte mich misstrauisch an.
„Ich bin Lillian. Und neu in, ich glaube, deiner Klasse.“ , ich hörte Herrn Damerus auf die Bühne kommen. „Und jetzt hast du ein Problem.“
Herr Damerus hatte sich schon vor Beginn der Stunde extrem aufgeregt, weil ein Kostüm einen Riss hatte.
„Hab ich nicht.“, sagte er leise. Dann trat er vor. „Herr Damerus, ich weiß ich habe mich verspätet. Aber nur weil jemand im Korridor gestürzt ist und ich geholfen habe. Sie können gerne bei dieser Person nachfragen.“
„Nun denn Marc, es wird Zeit, dass du dein Kostüm anprobierst.“, sagte er ungeduldig und ging zurück .
„Siehst du, der ist so leichtgläubig, der glaubt dir alles.“, er lachte leise und verschwand hinter der Bühne. Ganz schön dreist, aber wenn er damit durchkommt.
Dann trat die Klasse auf die Bühne. In mittelalterlichen Kostümen. Nur Natalie stach heraus. Sie trug enge Jeans und ein schwarzes Tanktop. War es ihr Kostüm mit dem Riss gewesen?
Emma und Charlene trugen Kleider in altrosa. Ein Junge weite Hosen und einen Umhang. Was zum Teufel spielten die eigentlich ?
„Wir proben heute noch mal die Szenen 5 bis 10. Und ich erwarte, dass sie halbwegs passabel sind.“, Herr Damerus ging von der Bühne, einige Schüler folgten.
Schon kurze Zeit später war alles bereit und Szene 5 begann.
Ein Junge in typischen Mittelalterklamotten, trat vor und rollte ein Stück Papier aus. „Es ist zu verkünden, dass am heutigen Tage der Vampir gejagt werden darf. Wer ihn tötet erhält eine stattliche Belohnung.“ Er nagelte das Papier an eine Pappwand, die eine Tür darstellen sollte.Der Junge verschwand von der Bühne.
Natalie kam von der rechten Seite. Sie blieb stehen und las das Papier. Plötzlich fiel sie auf die Knie und faltete die Hände. Sie starrte nach oben.
„Herr, was soll ich tun? Du hast mich zudem gemacht was ich bin, und jetzt werde ich gejagt. Gib mir Schutz!“ , dann stand sie wieder auf und Marc trat auf die Bühne, diesmal von links. „Elisé, ich weiß wer und was du bist. Ich möchte dich retten. Komm mit mir.“ Er streckte eine Hand aus.
Natalie lehnte ab und sprang ein Stück nach hinten. „Nein. Auch du willst mich töten. Ich weiß es. Du willst dir nur die Belohnung einheimsen.“
Emma trat hervor, mit einem Körbchen in der Hand. Es waren mindestens zwei Kilo Kartoffeln darin. Als sie Natalie sah, fiel ihr der Korb aus der Hand, die Kartoffeln kullerten über den Boden. Sie stieß einen spitzen Schrei aus.
„Elisè, was ist … was ist aus dir geworden? Du bist der Vampir? Es tut mir so Leid Elisè.“ , kurz waren alle still. „Wachen!“, schrie Emma plötzlich.
Natalie sprang erneut zurück. Dann rannte sie von der Bühne.
Zwei Jungen kamen, sie trugen Lanzen aus Pappröhren bei sich. „Sie wünschen?“
„Der Vampir , es ist Elisè Vanell.“ , sagte sie tonlos.
Einer der Jungen trat einen Schritt vor. „Sie wissen wer es ist. Sind sie mit diesem Wesen in Kontakt ?“
„Es war meine Schwester.“
Auch der andere Junge trat vor. Sie griffen nach den Armen von Emma und zogen sie von der Bühne. Sie wehrte sich kaum.
Marc kniete vor der Tür. „Ich bin es doch, der Schuld ist. Ich hab sie zu dem gemacht was sie ist. Ich liebe sie doch. Ich wollte sie für alle Ewigkeiten bei mir haben.“, er versuchte seine Stimme traurig klingen zu lassen.
Auch er trat von der Bühne, der Vorhang wurde kurz zugezogen. Nach zwei Minuten wurde er wieder geöffnet. Man sah einen Wald. Natalie saß mittendrin. Sie hatte die Knie angezogen und die Arme darum gelegt. Es sah aus als ob sie weinen würde. Das Licht wurde gedimmt. Als Natalie aufstand sah man dunkle, geschminkte Schatten unter ihren Augen.
„Ich muss es wieder tun. Ich kann nicht anders.“ , sie sprach leise. Ein Mädchen betrat den Wald. In ihrer Hand ein kleiner Korb mit Möhrenkraut und Plastikpilzen.
„Ich weiß, dass du da bist Elisè. Und ich habe keine Angst vor dir. Du bist die Schwester von Marya, sie wurde deinetwegen verhaftet. Warum verschwindest du nicht aus unserem Land?“ , ihre Stimme klang fest.
„Wegen mir?“, fragte Natalie.
„Ganz genau. Verschwinde einfach und Marya wird freigelassen. So hilfst du uns allen.“
„Mit deiner Lösung kann ich leben. Du musst mir nur eins verzeihen.“ , dann sprang Natalie in Richtung des Mädchens. Schreie ertönten, dann Stille.
Sie stand mit dem Rücken zu mir. „Verzeih mir.“ , sagte sie und sprang von der Bühne.
Plötzlich stand Herr Damerus auf der Bühne. „Nein, nein, nein ! Da muss mehr Gefühl rein. Strengt euch mal ein bisschen an. Noch mal von vorn!“
Immer und immer wieder übten sie diese 2 Szenen. Dann waren die Stunden vorbei.
Natalie kam auf mich zu und wir gingen gemeinsam nach oben.
„Und?“ , fragte sie.
„Interessant, aber warum glaubt ihr, dass Vampire so kaltblütig sind ?“ , pass bloß auf Lillian!
„Findest du? Ich finde Vampire sind einfach mörderisch und haben keine Gefühle. Warum denkst du so?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht gibt es ja nette Vampire.“ , ich lachte.
Natalie stieß mich an. „Und wir zwei sind solche oder was ?“
Sie schloss die Zimmertür auf. Keiner war da. „Wo sind denn Emma und Charlene?“ , fragte ich. Natalie seufzte und ließ sich auf ihr Bett fallen. „Die sind bei ihren ach so tollen Freundinnen.“
Oh je, das klang nach Zickenkrieg. Ich setzte mich auf mein Bett und streifte die Schuhe von den Füßen. Ich sollte mir flache Schuhe anziehen.
„Erzähl mal was von dir. Was hast du so für Hobbys ?“ , fragte Natalie plötzlich.
„Eigentlich keine. Ich höre gern Musik, lese sehr oft und bin auch meistens draußen im Garten.“ , von meinen anderen Hobbys brauchte sie nichts zu wissen.
„Ist bei mir fast genau so. Ich fahre gern Fahrrad.“, sie lächelte nur noch ein bisschen.
„Wer war der Typ, der neben dir gespielt hat?“ , fragte ich und blickte sie neugierig an.
„Das war Marc. Eigentlich ganz nett, doch er lässt nicht ein Mädchen an sich ran. Außerdem hat er ziemlich schlechte Noten.“, sie verzog das Gesicht. „Du machst dir doch keine Hoffnungen mit diesem Typen oder?“
Empört schüttelte ich den Kopf. „Ich hab nur gefragt.“
Die Tür ging auf und Emma kam rein. „Na ihr zwei.“, sagte sie fröhlich und setzte sich auf einen der zwei Schreibtischstühle. „Habt ihr Lust mit uns morgen in den Park zu kommen?“
„Na klar!“, ich willigte sofort ein. Dann schaute ich Natalie an, sie schon noch zu zögern. Aber dann nickte sie, nahm ein Buch aus der kleinen Ablage über dem Bett und fing an zu lesen. Emma verdrehte die Augen ich unterdrückte mühsam ein Grinsen. „Kommst du noch mit in den Aufenthaltsraum? Ich stell dir mal ein paar Leute aus unserer Klasse vor.“
Ich strich mit den Fingern über meine Haare. Sollte ich? Nach kurzer Überlegung stand ich auf. Emma lächelte und ging aus der Tür. Natalie murmelte irgendetwas, aber ich ignorierte es und folgte Emma. Sie ging in den dritten Stock. Ich hörte leise Musik aus einem der Räume. Genau diesen Raum öffnete Emma.
„Hey, da bin ich wieder. Ich wollte euch mal Lillian vorstellen. Komm sei nicht so schüchtern.“, sie schubste mich Stück für Stück nach vorn. Es waren die gleichen Gesichter die mich heute so komisch angestarrt haben. Doch diesmal blickten sie freundlicher. Einige Gesichter erkannte ich wieder. Schweigend setzte ich mich neben Charlene.
„Also, wo waren wir stehen geblieben?“, fragte Emma.
Eine Junge lachte. „Hast du so ein schlechtes Gedächtnis? Wir spielen gerade Wahl, Wahrheit oder Pflicht. Und du bist dran. Was nimmst du?“
Emma ließ sich auf dem blauen Teppich nieder. „Pflicht“
Ein Raunen und Lachen ging durch die Reihen. Der Junge grinste. Ich wusste, dass das nicht angenehm für Emma werden würde. Aber wer weiß, was sie unter angenehm versteht und bis wohin ihre Schamgrenze ging ?
„Ich bestehe darauf, dass du alle einmal auf den Mund küsst. Jungs und Mädchen.“ , mir lief ein Schauer über den Rücken. War ich hier gut aufgehoben? Ich fühlte mich unwohl. Emma zuckte mit den Schultern und begann. Charlene lächelte, als sie merkte wie unwohl ich mich fühlte. Es war kein auslachendes, fieses Grinsen, sondern eine aufmunternde Geste. Emma gab Charlene einen Kuss auf den Mund, dann mir. Vor Schreck sprang sie ein kleines Stück zurück. Alle lachten nur ich nicht. „Meine Güte, was ist den mit dir los?“, fragte Emma. „Du bist eiskalt.“
Ich senkte den Kopf und schwieg. Dann langte sie nach meiner Hand.
„Sag mal, bist du tot? Deine Haut ist eisig. Als ob du gerade aus dem Schnee kommen würdest. Aber wir haben gerade mal Herbst.“

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