Gerade bin ich aufgewacht, reibe mir die Augen und schüttle heftig mit dem Kopf, um die tröge Schläfrigkeit abzustreifen, in der Hoffnung, Ordnung in dieser chaotischen Welt zu erkennen.
Der Boden unter mir wankt, als befände ich mich in einer dieser modernen Kirchweih-Karussells. Hypnotisiert vom Schwanken verliere ich mich wieder in den Schlaf. Wie lange, weiß ich nicht, als ich zurückkomme, stelle ich fest, dass ich nicht auf einen Boden starre, sondern auf eine Decke.
Tatsächlich, das sind doch keine Leuchten, die im Boden eingelassen und flach sind, also keine Erhebung aus der Unterlage bilden, damit man nicht darüber stolpert, sondern solche, die eine Ausbeulung haben, als wären es leberkranke Augen, die sich aus dem Hintergrund wölben.
Logik aktivieren!
Wenn dies, wie es scheint, wirklich Lampen sind, dann muss ich von unten nach oben blicken und flach auf dem Boden liegen. Somit ist alles auf dem Kopf gestellt. Damit muss ich auf dem Rücken liegen.
Versuche, mich aufzurichten, misslingen jedoch. Ich bin fixiert. Ich kann mich nicht von der Stelle rühren, kaum die Glieder bewegen, mein Körper ist gefesselt. Ich versuche um mich herum auf meinen Rücken zu blicken, erkenne dort am Gürtel eine metallene Schnalle.
Wie hängt das zusammen?
Ich kann mich nicht bewegen, also muss dieses Ding am Gürtel damit zu tun haben. Meine Hand ertastet, dass es als Verbindungsstück mit dem Boden dient und von einem mächtigen Sog festgenagelt ist. Es besteht aus Eisen und im Boden ist wahrscheinlich ein Magnet eingelassen, so dass beide Teile aneinander gekettet sind, wie wenn ich gefesselt wäre. Das Magnet besitzt eine enorme Kraft. Dagegen kann ich nichts ausrichten.
Ich versuche ein paar Mal vergebens aufzustehen. Stattdessen strampele ich wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt. Beine und Arme kann ich zwar bewegen, aber nicht meinen Rumpf. Ich fühle mich total hilflos.
Verlass dich auf deine anderen Sinne! Damit kannst du bestimmt auch die Situation einschätzen.
Ich schaue nach rechts und links und versuche, mich innerhalb der auf die Köpfe gestellten Sachen zu orientieren. Das bringt mich nicht weiter.
Zum Glück funktioniert mein Gehör tadellos.
Es herrsche eine beängstigende Ruhe. Ich denke, der Raum ist komplett abgeschirmt, jede Ritze verstopft, die Wände doppelt dick und die Tür aus Stahl.
Nach einer Weile höre ich dumpfe, monotone Geräusche, bestimmt ist nebenan der Maschinenraum, worauf dieses gleichmäßige Stampfen eines Dieselmotors hinweist.
Ich lasse erschöpft meinen Kopf auf den Boden zurücksinken und meine Gedanken schweifen, die von dem monotonen, bassigen Brummen geleitet und gewiegt wird und denke nach.
Bisher hat mein Bruder es nicht für notwendig befunden, mit mir, seinem Bruder und Gefangenen, ein paar Worte zu wechseln.
Ganz schön arrogant!
Fast ärgerlich!
Ich gehe jedoch davon aus, dass das bald geschehen würde.
Das zeigt aber auch, dass er vor meinen Leuten Angst hat. Er rechnet bestimmt damit, dass sie jeder Zeit auftauchen werden. Er scheint zu versuchen, so schnell wie möglich von hier weg zu kommen, um einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen – ha Bruderherz, da sinkt dir wohl das Herz auf Grundeis!
In der Tat, wenn meine Leute den Weg hierher finden und dieses Schiff orten, dann besteht eine reale Chance, dass sie mich befreien. Aber auch nur vorausgesetzt, sie sind in der Überzahl und besser ausgerüstet. Hm, muss einfach so sein, rede ich mir ein.
Der Gedanke, dass mein Bruder unter Druck steht, befriedigt mich ungemein.
Genau daran liegt es, verdammt, dass ich schon so lange hier unten allein bin. Es erscheint mir wie eine Ewigkeit. Ich kann es nicht erwarten, was er mir zu sagen hat, welche Pläne er mit mir verfolgt. Der saubere Bruder mit seinen ungebrochenen Optimismus!
Es ist anzunehmen, dass die Tür des Raums abgesperrt ist, ich brauche mir nicht die Mühe zu geben, dies zu überprüfen. Abgesehen davon kann ich dies auch nicht, ich sitze immer noch fest auf dem Boden.
Stattdessen sehe ich mich erst einmal um.
Im Raum befinden sich verschiedene Räume, soweit ich sehen und vermuten kann, durch Trennwände eingeteilt: ein Klo, eine kleine Einbauküche, eine Essnische, dazu ein Stuhl und Tisch. Kein Fenster, kein Bullauge, kein Scharfschützenauge, das auf mich fokussiert ist. Sicher ist nur, dass ich mich auf einem Schiff befinde, was ich am heftigen Schwanken merke.
Doch plötzlich löst sich der Sog unter mir, ich kann mich tatsächlich bewegen. Ich stehe auf, will zur Tür gehen, aber ich spüre, dass mich eine unsichtbare Kraft wie eine unsichtbare Mauer daran hindert. Und diese ist undurchdringlich. Ich drücke ein paarmal dagegen, aber wie gegen eine feste, eisige Wand stoße ich. Eigenartig.
Ich drehe mich um und kann ungehindert in die andere Richtung gehen, allerdings nur mühsam, als würde sich eine harte Welle vor mir zurückziehen.
Ich gehe, vielmehr werde auf eine Tür zu getrieben, dahinter befindet sich ein Kabuff. Das ist der Eingang zu einem minimalistischen Klo: eine Kloschüssel, Papier dazu, Waschbecken und Waschmittel.
Da ich keinen Druck empfinde, mich zu erleichtern, sehe ich mich erst einmal anderswo um. Ich erblicke rechts eine Kochnische. Da will ich hin, kann jedoch nicht: Ich stoße wieder gegen die unsichtbare Wand.
Ich drehe mich um, um in die andere Richtung zu gehen. Das geht auch nicht.
Es bleibt nur der Bereich des Klos, in dem ich mich hineinbewegen kann. Frei bewegen – mitnichten, denn ich spüre plötzlich eine Bewegung gegen meinen Körper, die mich in diesen Raum schiebt. Drinnen drehe ich mich verwundert um und schließe die Tür, was auf reiner Gewohnheit beruht und überflüssig ist, weil im ganzen Raum sonst niemand außer mir ist. Vielleicht unkt mein Unterbewusstsein: Vorsicht, Videoüberwachung, fremde Augen beobachten dich durch ein anonymes Bullauge, wer weiß.
Ich spüre nicht einmal Resignation, Widerstand, Aufbegehren gegen mein Schicksal, was doch eine normale menschliche Reaktion gewesen wäre. Welcher aufrechte Mensch lässt schließlich mit sich machen, was andere wollen? Nein, ich passe mich einfach an, nicht erleichtert, weil ich weiß, was ich in meiner beengten, aussichtslosen Lage nun tun kann, also einfach völlig widerstandslos gebe ich mich. Von einem Moment auf den anderen füge ich mich ohne Wenn und Aber, Hoffnung auf Flucht oder dem Schicksal irgendwie ein Schnippchen schlagen zu können in meine Lage.
Vernünftig gesehen, erstaunlich, wenn nicht ungeheuerlich und unglaublich. Aber so ist es!
Ich wundere mich keine Sekunde darüber, dass ich denke, so ist es, dass du dich dieser Fremdbestimmung ergibst; mit dir machen lässt, was immer andere wollen; du jetzt handelst, ohne zu fragen, ob du es willst. Das ganze Bewusstseinsdrumherum ist restlos ausgeschaltet.
Ich handele ohne zu denken.
So einfach ist das!
Ich frage mich nicht einmal, was du jetzt tust, tust du das jetzt, weil ein unentdecktes Gas in den Raum gedüst wird, dass dich hypnotisiert? Oder sonst etwas dich fremdbestimmt? Es kümmert mich einfach nicht. Handle so, wie die Umstände es erlauben, im materiellen Sinne des Wortes. Basta!
So habe ich sehr bestimmt die Tür zum Klo zugemacht. Ich will unbeobachtet bleiben. Ich kann glücklicherweise mein Geschäft machen, so bald ich es will, sofern eine gewisse Zeit zwischen letztem Mal und Jetzt verstrichen ist. Eine Dringlichkeit spüre ich insofern, als ich spüre, ich muss mich der geheimen Kräfte hier unterordnen. Wann würden diese unerklärlichen, mächtigen Energien, die den Raum durchdringen und beherrschen, wieder erlauben, hier mein Geschäft zu verrichten? So wähle ich, diese Notdurft zu verrichten, weil möglicherweise obliegt mir diese Chance, dies zu tun, nur noch vielleicht wenige Minuten?
Als ich fertig bin, die Spülung betätigt hatte und aus dem Bereich heraustrete, den das Klo markiert, schließe ich wohlgesittet die Tür hinter mir, ohne über Sinn und Unsinn dieses Tuns nachzudenken.
Plötzlich merke ich, der Weg zur Kochnische ist geöffnet und also gehbar. Ich stoße gegen nichts, was mich daran gehindert hätte, dies zu tun. Ich gelange ungehindert in den Küchenbereich.
Essenszeit!
Im Kühlschrank und den Hängeschränken finde ich Lebensmittel, aus denen ich mir etwas zubereiten kann: Nudeln, genauer Spagetti, Tomatensauce und Parmesankäse.
Im Kühlschrank und den Hängeschränken sehe ich Lebensmittel, aus denen ich mir etwas zubereiten kann.
Ah, mein Bruder hat mich hier unten eingesperrt, nicht ohne Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen ich einige Tage und Wochen autark leben kann. Sehr geschwisterlich gedacht!
Dass er sich hoffentlich damit nicht begnügt, werde ich ja bald merken.
Ich kann mich also, sage ich mir, in einigen Bereichen meiner Umgebung nicht frei bewegen, also in diesem Zimmer hier unten nur eingeschränkt, wahrscheinlich nur so weit, als ich zum Überleben brauche.
Ich erkenne mit einem Mal den Mechanismus, der bereits im Klo Wirkung gezeigt hat, aber mir dort noch nicht bewusst geworden ist. Jede Handlung zieht eine andere nach sich und diese sind zwingend aufeinander angewiesen. Oder anders gesagt: vollführte ich nicht Handlung A konnte ich nicht B machen. Oder anders gesagt: machte ich B so könnte ich nicht A machen. Kurzum, alles ist mechanisiert, programmiert und baut aufeinander auf.
Mir wird klar, dass ich mich in einem perfekten Überwachungssystem befinde. Jeder meiner Schritte ist während des Tages auf die Minute genau festgelegt und programmiert. Ich sehe mich in einem Räderwerk gefangen, aus dem es kein Entkommen gibt. Nur meine Administratoren könnten mich aus den unsichtbaren, unzerreißbaren Ketten befreien.
Wie lange wird das wohl so bleiben?
Ich merke, irgendetwas irritiert mich in diesem Raum. Irgendetwas Fremdartiges, nicht hier her Gehörendes.
Ich lasse meinen Blick schweifen, hin und her. irgendwo verzerrt sich mein Blick, ich merke es. Das ist der Hinweis, dass etwas Ungewöhnliches im Raum ist. Wahrscheinlich, so hoffe ich natürlich, wird dies auch ein Zeichen dafür sein, dass sich meine totale Stagnation und Gefangenschaft am Ende bald löst.
Wieder und wieder fahre ich über den Raum mit meinem Blick - endlich, mir fällt auf, dass dort in der Ecke viele Feldbetten und Klappstühle stehen, teilweise ausgeklappt, teils an der Wand aufgereiht. Das kann, darf nicht sein. Es ist doch hier nicht etwa eine Mannschaftsunterkunft? Die Bootsbesatzung muss doch ihren eigenen Raum haben, sie wird ihre Räume nicht mit einem Gefangenen tauschen. Außerdem, es gibt hier unten auch keine gebrauchten Toilettenutensilien, Handtücher, Kleidung.
Wie kann man diese Stühle deuten?
Endlich kommt mir der Einfall, dass man sich damit auf ein Ereignis vorbereitet, bei dem noch mehr Leute hier unten sein können. Genau, man beabsichtigt, Personen hier unterzubringen. Aber wieso das denn? Ist das hier ein Rettungsboot? Wollen sie ein anderes Schiff kapern und die Gefangengenommenen nicht ertrinken lassen, sondern retten und festsetzen, um sie irgendwo irgendwann an Land zu entlassen?
Ich erinnere mich an das Gespräch, das ich unmittelbar nach meiner Landung an Deck belauscht habe, als ich zwischen Ohnmachtsanfällen und Wachheit gelegen bin. Haben sie nicht von Gefangenen gesprochen?
Kann es denn sein, dass ich hier gar nicht von meinem Bruder eingesperrt worden bin?
Mir wird mit einen Mal klar, dass mir jetzt nur noch dieser helfen kann!
Das Klimakomplott - Science Fiction
Die fremden Idealisten
Als er gerade ziemlich in der Mitte des Raumes stand, wurde ihm plötzlich schwindlig.
Woher das?
Das Essen von vorhin?
Aber er kam nicht mehr zum Denken.
Er schrie auf, fiel auf die Seite, als hätte ihn ein Schlag getroffen und lag auf dem Boden.
Er stützte sich mit dem Arm auf, streckte sich und dehnte den Rücken, wobei er das Gesicht in verschiedene Richtungen wendete. Er entdeckte jedoch nichts und niemanden, obwohl er spürte, dass jemand oder etwas im Raum war.
Wacklig und unsicher auf den Beinen versuchte er sich zu erheben, indem er das Tischbein umklammerte und sich daran aufzurichten begann. Es fiel ihm schwer, seine Beine nachzuziehen und zu erheben, die sich bleischwer anfühlten. Er stützte sich auf seinen Knien mit den Händen ab, drückte darauf, konnte endlich die Hände platt auf die Tischplatte setzen und sich so per Hebelkraft aufrichten.
Er wurde plötzlich von einer unsichtbarer Kraft bedrängt, als hätte sich ein Paravent oder eine sonstige unsichtbare Mauer vor ihm aufgebaut, die ihn jetzt bedrängte und vor sich her schob. Dagegen kam er nicht an. Die unsichtbare, geheime, magnetische Macht, die im Raum wirkte, war um einiges stärker als er. Er wurde bis exakt der Mitte des Raums geschoben, gegen den Untergrund in die Knie gedrückt, dabei wie eine Schraube so gedreht, dass er auf den Rücken zu legen kam. Er lag wie vor einer Stunde auf dem selben Punkt und unverrückbar fixiert.
Er ergab sich seinem Schicksal und schloss nach einer Weile die Augen.
Dann hörte er ein langgezogenes, quietschendes Geräusch, das er der Stahltür verordnete. Stimmen. Er öffnete nicht die Augen. Er spürte die unterdrückte Bewegung seiner Lider vor sich.
"Da liegt ja unser Kuckucksei." Die Aussage wahr eindeutig: Du bist hier unwillkommen.
„Sollen wir ihm reinen Wein einschenken?“
Die zweite Stimme brach in Lachen aus.
„Wodka würde er lieber goutieren, wetten!“
„Red keinen Blödsinn. Dazu ist jetzt nicht der Zeitpunkt.“ Eine deutlich sachlichere zurückhaltende Stimme das, ganz im Gegenteil der anderen getrieben wirkenden. Wie Prophet und Eiferer.
„Ei, ei der Herr Störtebeker spricht! Unser Kapitän auf hoher See!"
„Idiot!“
Das hörte sich an, als würde hier ein Theater gespielt. Aber die Stimmung war nur zu echt.
„Ich bin noch immer der Meinung, dass er hier am falschen Platz ist. Der hat uns gerade noch gefehlt, als hätten wir nicht genug zu tun mit unserem Projekt. Hättet ihr nur auf mich gehört. Ich hab gesagt, kümmern wir uns nicht um ihn."
Eine dritte Person schaltete sich ein.
„Aber willst du einen hilflosen Menschen in Seenot sich seinem Schicksal überlassen?“ Der andere wirkte als ganz anderes als ein Spaßvogel. Als absolut menschlich und kümmernd.
„Wir haben uns weiß Gott um Wichtigeres zu kümmern.“
„Die große Sache.“
„Genau. Unsere Mission. Hier geht es um Großes.“
„Als um einen Menschen!?“
„Mensch, so will ich dies nicht sagen.“
„Aber?“
„Ach, vergiss es."
Doch der andere wollte keine Ruhe geben, setzte bereits zur erneuten Widerrede an, als er vom Dritten unterbrochen und endgültig zum Schweigen gebracht wurde: "Mensch, diese Diskussion hatten wir doch gestern schon. Und die gleichen Worte. Hat euch denn mittlerweile die Seekrankheit völlig schwachsinnig gemacht?"
Merkwürdig, diese Stimmen sprachen in Rätseln. Welche große Sache?
Er öffnete die Augen.
Es waren drei Männer, einen, der breitschultrige, hatte er von seinem Schlauchboot aus auf der Brücke stehen sehen, der zweite schmächtiger, kleiner, womöglich ein Untergebener. Der dritte war mittelgross, normal gebaut und sah glatt und unscheinbar aus wie ein Bankangestellter. Sie schienen eine eingeschworene Gruppe zu sein, dicke Freunde, die sich schon eine Ewigkeit kannten.
"Das Kuckucksei schlüpft aus!!“
Schon wieder dieser sarkastische Ton, der als bewusste Provokation zu verstehen war.
Dieser Abschätzigkeit versuchte der Wohlwollende entgegenzutreten: „Wir haben hier den aus seiner Seenot Geretteten. Ein Schiffbrüchiger. Herzlich willkommen!“
Allerdings welches Boot ihn zur Rettung aufgenommen hatte, blieb unerwähnt. Die Nennung des Schiffsnamens wäre in dieser Situation der Vorstellung obligatorisch gewesen. Merkwürdig. Das wirkte, als wollten sie inkognito bleiben, als hätten sie etwas zu verheimlichen.
Aber die Reden des Breitschultrigen ließen keinen Zweifel über ihre wahren Motive übrig: Du bist hier unwillkommen, womöglich lästig und passt nicht hierher. Offenbar hatten sie ihn nur widerstrebend aus der Not gerettet.
„Ich sehe das Fragezeichen in seinem Gesicht: Er fragt sich, wer wir sind, was wir auf hoher See hier treiben und was uns hierher verschlagen hat? Sollen wir ihn über unsere Mission nicht aufklären?“
„Warum nicht? Er wird es ohnehin erfahren.“
Ich konnte mich nicht enthalten, ein zustimmendes, neugieriges Murmeln meiner Kehle entrinnen zu lassen.
"Nun, wir sind auf der Suche nach einen Öltanker.“
Der Eiferer riss die Rede an sich.
„Genau. Wir werden einen solchen stürmen, die Bootsmannschaft gefangen nehmen, in unser Boot bringen, hierherunter, damit sie nicht mit ihrem Tanker untergehen. Dafür werden wir nämlich sorgen.“
„Aber warum?“
„Warum? Die Menschheit ist an ihre Grenzen gekommen. Wir werden sie jetzt kontrolliert abwickeln.“
„Oder abfackeln!“
„Teilweise, das gehört zur Abwicklung. Bevor die Welt unkontrolliert kollabiert, die Arten alle aussterben, die Welt verwüstet, der Dschungel ausgedünnt, die Naturkatastrophen, Überschwemmungen, Orkane, Stürme, Eisschmelzung unkontrolliert die Welt ins Chaos stürzen. Der Punkt of no return ist nicht mehr weit!“
„Finden Sie?“
Er war entsetzt. Warum taten sie das? Ein Verdacht keimte in ihm.
„Warum machen Sie das? Wer befielt ihnen das? Wer hat ihnen diesen Auftrag erteilt?“
„Unsere inneren Stimmen, wenn Sie so wollen.“ Der Antwortende lachte dazu etwas skurril, als ob er tatsächlich von Furien getrieben wäre, Stimmen ihm befahlen, dies zu tun.
„Aber vor allem müssen wir handeln, weil in den Vereinigten Staaten von Amerika ein neuer Präsident an die Macht gekommen ist, der keinerlei Glauben an einen Klimawandel hat. Er ignoriert ihn schlichtweg, im Gegenteil, will Naturschutzgebiete reduzieren, Ölabbau ausweiten, Fracking zudem. Auch Alaska soll bald nach bevorstehender Abschmelzung freigegeben werden zur totalen Ausbeutung und Abbau der fossilen Ressourcen. EIne wahrhaft globale Katastrophe.“
Was er selbst immer gedacht hatte, äusserten sie: Der Mensch konnte sich nicht beherrschen, musste in seine Schranken verwiesen werden, bevor es zu spät und ein Zurück unmöglich geworden war.
Nur mit solchen Mittel?
Wieso?
Er hatte ja Ähnliches proklamiert, nur nicht geglaubt, dass seine manipulierten „Gefolgsleute“ im wahrsten Sinne des Wortes gleich derartige drastische Maßnahmen ergreifen würden und Öltanker versenkten.
Nein, das hatte er nicht gewollt!
Er sieht vor seinem geistigen Auge verendende Vögel an Stränden, tote Leiber von Walen bäuchlings ans Ufer gespült, Scharen von Fisch leblos über den Meeresgrund schweben …
Es dämmerte ihm, was er hier angestoßen hatte.
´Eigenartig, dass ich mich vor einer Verpestung durch Öl mehr abgestoßen fühle als durch radioaktive Verseuchung. Ohne Bedenken habe ich ja einen Atombombenkrieg versucht zu provozieren. Aber das ist so, wie wenn ein Mensch, der keine Fische angeln und töten kann, trotzdem im Supermarkt oder an der Fischtheke Fisch kauft. Oder jemand ist Tierliebhaber, liebt Katzen über alles, besitzt auch einige, könnte niemals eine Kuh oder ein Schwein töten, trotzdem isst er an Sonntagen seinen Schweinebraten, sein Cordon Bleu, sein Schäufele.
Es kommt auf den ästhetischen Aspekt an.
Selbst ein Tier mit einem Messer zu töten, ist eben etwas anderes, als eines mit einem Messer und Gabel zu verspeisen, das bereits getötet, auseinander gelegt und zubereitet worden ist.
Die Vorstellung gefällt ihm nicht, dass Tiere von Öl qualvoll sterben und verenden lässt, der schöne, weiße, sandige Uferstrand mit stinkendem, glitschigen und schwer lösbaren Ölfilm überzogen wird. Kein Tier und kein Mensch würde mehr darüber laufen können ...
So ist das. Da ist er nicht konsequent, aber reell. Es geht wohl vielen so.
Doch wenn es nach ihnen ging, stand eine Ölpest bevor, sie war nicht mehr aufzuhalten, diese Verrückten! - nein waren sie nicht, sie konnten nichts dafür, sie standen ja unter seinem Diktat, wurden per Kopfhörer von seinen Impulsen beschallt und getrieben. Auch wenn dabei die Floskel beigefügt wurde, dass Menschenleben in Gefahr zu bringen zu vermeiden sei, so hat jeder Eingriff in die Natur früher oder später zwangsläufig auch eine Auswirkung auf den Menschen.
Nur in dieser Lage, in die er jetzt geraten war, er war ein Gefangener, konnte er diese Fremdgesteuerten nicht mehr stoppen. Ihm war der Zugang zu seinem Sender und zu seinen Leuten verwehrt. Er konnte ihnen nicht die Order durchgeben und den Befehl aussprechen: Stoppt diesen Wahnsinn!
lesen sie die Geschichte als E-book weiter
https://metzlerbuch.e-bookshelf.de/das- ... 17109.html
Woher das?
Das Essen von vorhin?
Aber er kam nicht mehr zum Denken.
Er schrie auf, fiel auf die Seite, als hätte ihn ein Schlag getroffen und lag auf dem Boden.
Er stützte sich mit dem Arm auf, streckte sich und dehnte den Rücken, wobei er das Gesicht in verschiedene Richtungen wendete. Er entdeckte jedoch nichts und niemanden, obwohl er spürte, dass jemand oder etwas im Raum war.
Wacklig und unsicher auf den Beinen versuchte er sich zu erheben, indem er das Tischbein umklammerte und sich daran aufzurichten begann. Es fiel ihm schwer, seine Beine nachzuziehen und zu erheben, die sich bleischwer anfühlten. Er stützte sich auf seinen Knien mit den Händen ab, drückte darauf, konnte endlich die Hände platt auf die Tischplatte setzen und sich so per Hebelkraft aufrichten.
Er wurde plötzlich von einer unsichtbarer Kraft bedrängt, als hätte sich ein Paravent oder eine sonstige unsichtbare Mauer vor ihm aufgebaut, die ihn jetzt bedrängte und vor sich her schob. Dagegen kam er nicht an. Die unsichtbare, geheime, magnetische Macht, die im Raum wirkte, war um einiges stärker als er. Er wurde bis exakt der Mitte des Raums geschoben, gegen den Untergrund in die Knie gedrückt, dabei wie eine Schraube so gedreht, dass er auf den Rücken zu legen kam. Er lag wie vor einer Stunde auf dem selben Punkt und unverrückbar fixiert.
Er ergab sich seinem Schicksal und schloss nach einer Weile die Augen.
Dann hörte er ein langgezogenes, quietschendes Geräusch, das er der Stahltür verordnete. Stimmen. Er öffnete nicht die Augen. Er spürte die unterdrückte Bewegung seiner Lider vor sich.
"Da liegt ja unser Kuckucksei." Die Aussage wahr eindeutig: Du bist hier unwillkommen.
„Sollen wir ihm reinen Wein einschenken?“
Die zweite Stimme brach in Lachen aus.
„Wodka würde er lieber goutieren, wetten!“
„Red keinen Blödsinn. Dazu ist jetzt nicht der Zeitpunkt.“ Eine deutlich sachlichere zurückhaltende Stimme das, ganz im Gegenteil der anderen getrieben wirkenden. Wie Prophet und Eiferer.
„Ei, ei der Herr Störtebeker spricht! Unser Kapitän auf hoher See!"
„Idiot!“
Das hörte sich an, als würde hier ein Theater gespielt. Aber die Stimmung war nur zu echt.
„Ich bin noch immer der Meinung, dass er hier am falschen Platz ist. Der hat uns gerade noch gefehlt, als hätten wir nicht genug zu tun mit unserem Projekt. Hättet ihr nur auf mich gehört. Ich hab gesagt, kümmern wir uns nicht um ihn."
Eine dritte Person schaltete sich ein.
„Aber willst du einen hilflosen Menschen in Seenot sich seinem Schicksal überlassen?“ Der andere wirkte als ganz anderes als ein Spaßvogel. Als absolut menschlich und kümmernd.
„Wir haben uns weiß Gott um Wichtigeres zu kümmern.“
„Die große Sache.“
„Genau. Unsere Mission. Hier geht es um Großes.“
„Als um einen Menschen!?“
„Mensch, so will ich dies nicht sagen.“
„Aber?“
„Ach, vergiss es."
Doch der andere wollte keine Ruhe geben, setzte bereits zur erneuten Widerrede an, als er vom Dritten unterbrochen und endgültig zum Schweigen gebracht wurde: "Mensch, diese Diskussion hatten wir doch gestern schon. Und die gleichen Worte. Hat euch denn mittlerweile die Seekrankheit völlig schwachsinnig gemacht?"
Merkwürdig, diese Stimmen sprachen in Rätseln. Welche große Sache?
Er öffnete die Augen.
Es waren drei Männer, einen, der breitschultrige, hatte er von seinem Schlauchboot aus auf der Brücke stehen sehen, der zweite schmächtiger, kleiner, womöglich ein Untergebener. Der dritte war mittelgross, normal gebaut und sah glatt und unscheinbar aus wie ein Bankangestellter. Sie schienen eine eingeschworene Gruppe zu sein, dicke Freunde, die sich schon eine Ewigkeit kannten.
"Das Kuckucksei schlüpft aus!!“
Schon wieder dieser sarkastische Ton, der als bewusste Provokation zu verstehen war.
Dieser Abschätzigkeit versuchte der Wohlwollende entgegenzutreten: „Wir haben hier den aus seiner Seenot Geretteten. Ein Schiffbrüchiger. Herzlich willkommen!“
Allerdings welches Boot ihn zur Rettung aufgenommen hatte, blieb unerwähnt. Die Nennung des Schiffsnamens wäre in dieser Situation der Vorstellung obligatorisch gewesen. Merkwürdig. Das wirkte, als wollten sie inkognito bleiben, als hätten sie etwas zu verheimlichen.
Aber die Reden des Breitschultrigen ließen keinen Zweifel über ihre wahren Motive übrig: Du bist hier unwillkommen, womöglich lästig und passt nicht hierher. Offenbar hatten sie ihn nur widerstrebend aus der Not gerettet.
„Ich sehe das Fragezeichen in seinem Gesicht: Er fragt sich, wer wir sind, was wir auf hoher See hier treiben und was uns hierher verschlagen hat? Sollen wir ihn über unsere Mission nicht aufklären?“
„Warum nicht? Er wird es ohnehin erfahren.“
Ich konnte mich nicht enthalten, ein zustimmendes, neugieriges Murmeln meiner Kehle entrinnen zu lassen.
"Nun, wir sind auf der Suche nach einen Öltanker.“
Der Eiferer riss die Rede an sich.
„Genau. Wir werden einen solchen stürmen, die Bootsmannschaft gefangen nehmen, in unser Boot bringen, hierherunter, damit sie nicht mit ihrem Tanker untergehen. Dafür werden wir nämlich sorgen.“
„Aber warum?“
„Warum? Die Menschheit ist an ihre Grenzen gekommen. Wir werden sie jetzt kontrolliert abwickeln.“
„Oder abfackeln!“
„Teilweise, das gehört zur Abwicklung. Bevor die Welt unkontrolliert kollabiert, die Arten alle aussterben, die Welt verwüstet, der Dschungel ausgedünnt, die Naturkatastrophen, Überschwemmungen, Orkane, Stürme, Eisschmelzung unkontrolliert die Welt ins Chaos stürzen. Der Punkt of no return ist nicht mehr weit!“
„Finden Sie?“
Er war entsetzt. Warum taten sie das? Ein Verdacht keimte in ihm.
„Warum machen Sie das? Wer befielt ihnen das? Wer hat ihnen diesen Auftrag erteilt?“
„Unsere inneren Stimmen, wenn Sie so wollen.“ Der Antwortende lachte dazu etwas skurril, als ob er tatsächlich von Furien getrieben wäre, Stimmen ihm befahlen, dies zu tun.
„Aber vor allem müssen wir handeln, weil in den Vereinigten Staaten von Amerika ein neuer Präsident an die Macht gekommen ist, der keinerlei Glauben an einen Klimawandel hat. Er ignoriert ihn schlichtweg, im Gegenteil, will Naturschutzgebiete reduzieren, Ölabbau ausweiten, Fracking zudem. Auch Alaska soll bald nach bevorstehender Abschmelzung freigegeben werden zur totalen Ausbeutung und Abbau der fossilen Ressourcen. EIne wahrhaft globale Katastrophe.“
Was er selbst immer gedacht hatte, äusserten sie: Der Mensch konnte sich nicht beherrschen, musste in seine Schranken verwiesen werden, bevor es zu spät und ein Zurück unmöglich geworden war.
Nur mit solchen Mittel?
Wieso?
Er hatte ja Ähnliches proklamiert, nur nicht geglaubt, dass seine manipulierten „Gefolgsleute“ im wahrsten Sinne des Wortes gleich derartige drastische Maßnahmen ergreifen würden und Öltanker versenkten.
Nein, das hatte er nicht gewollt!
Er sieht vor seinem geistigen Auge verendende Vögel an Stränden, tote Leiber von Walen bäuchlings ans Ufer gespült, Scharen von Fisch leblos über den Meeresgrund schweben …
Es dämmerte ihm, was er hier angestoßen hatte.
´Eigenartig, dass ich mich vor einer Verpestung durch Öl mehr abgestoßen fühle als durch radioaktive Verseuchung. Ohne Bedenken habe ich ja einen Atombombenkrieg versucht zu provozieren. Aber das ist so, wie wenn ein Mensch, der keine Fische angeln und töten kann, trotzdem im Supermarkt oder an der Fischtheke Fisch kauft. Oder jemand ist Tierliebhaber, liebt Katzen über alles, besitzt auch einige, könnte niemals eine Kuh oder ein Schwein töten, trotzdem isst er an Sonntagen seinen Schweinebraten, sein Cordon Bleu, sein Schäufele.
Es kommt auf den ästhetischen Aspekt an.
Selbst ein Tier mit einem Messer zu töten, ist eben etwas anderes, als eines mit einem Messer und Gabel zu verspeisen, das bereits getötet, auseinander gelegt und zubereitet worden ist.
Die Vorstellung gefällt ihm nicht, dass Tiere von Öl qualvoll sterben und verenden lässt, der schöne, weiße, sandige Uferstrand mit stinkendem, glitschigen und schwer lösbaren Ölfilm überzogen wird. Kein Tier und kein Mensch würde mehr darüber laufen können ...
So ist das. Da ist er nicht konsequent, aber reell. Es geht wohl vielen so.
Doch wenn es nach ihnen ging, stand eine Ölpest bevor, sie war nicht mehr aufzuhalten, diese Verrückten! - nein waren sie nicht, sie konnten nichts dafür, sie standen ja unter seinem Diktat, wurden per Kopfhörer von seinen Impulsen beschallt und getrieben. Auch wenn dabei die Floskel beigefügt wurde, dass Menschenleben in Gefahr zu bringen zu vermeiden sei, so hat jeder Eingriff in die Natur früher oder später zwangsläufig auch eine Auswirkung auf den Menschen.
Nur in dieser Lage, in die er jetzt geraten war, er war ein Gefangener, konnte er diese Fremdgesteuerten nicht mehr stoppen. Ihm war der Zugang zu seinem Sender und zu seinen Leuten verwehrt. Er konnte ihnen nicht die Order durchgeben und den Befehl aussprechen: Stoppt diesen Wahnsinn!
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