Du tauchst unter und wartest auf ihn. Warum ist egal. Durstig nach Wissen, nach der weißen, gleisenden Erleuchtung, wie er sich wohl anfühlt der vermeintlich letzte Atemzug. Um dem Schicksal das Schnippchen zu schlagen, es auszulachen, am Ende einfach aufzutauchen, bevor es dich umklammert hält. Ein Experiment. Kontrollierte Bedingungen. Grenzüberschreitung, nur ein bisschen. Aber du liebst das Prickeln, spürst du es doch deutlicher als andere in diesem monotonen Alltag. Bist eingebunden in deine Wahl, hast deine Aufgabe, den immer gewünschten festen Platz. Du scheinst glücklich. So liebevoll wie du für dein Kind sorgst, sein Händchen hälst, während es versucht die ersten eigenen Schritte auf dieser Erde zu machen, seinen Weg beginnt. Du schließt deinen Mann freudig in die Arme, ein langer Kuss, auch nach langen Jahren. Jeder Abend gehört euch. Der Morgen nur ein bisschen, den Rest bekommt die Eile. Fällt die Wohnungstür ins Schloss, dein Kind müde in sein Bett, hast auch du wieder ein wenig Zeit bekommen. Zeit für den Morgen, Zeit für dich, Zeit zum Baden. Wasser hast du schon immer geliebt. Seit Jahren träumst du den Traum vom Meer, den rauen Wechsel der Gezeiten. Hauptsache alles ist in Bewegung und der ewig wiederkehrenden Veränderung unterworfen. Wenn der Wind an dir zerrt, die Gischt an deine Kleidung spritzt, fühlst du die Freiheit. Bedrohliche Sturmwolken, unheilverkündendes Donnergrollen, aber du beobachtest alles mit stoischer Gelassenheit von deinem Leuchtturm aus. Jetzt bist du glücklich. Schwimmen im Meer kannst du nicht ausstehen. Es stresst dich, nicht zu wissen, was unter dir ist oder kommt. Es stresst dich, keine Kontrolle zu haben. Du hast gelernt das Vollbad am Morgen entspannend zu finden, hast zu genießen geübt. Während das warme Wasser deinen Körper umhüllt, lässt du deine Gedanken frei. Geistspielereien. Was würdest du tun, wenn du deinen festen Platz noch nicht gefunden hättest? Wenn du noch selbst bestimmen könntest? Blasse Erinnerungen rufst du ab. Deine Singlewohnung, hoch oben im Dachgeschoss, 45 Quadratmeter Möglichkeiten, im Sommer viel zu heiß. Tage an der Uni, Nächte in Clubs. Katerschlaf. Zuviel Alkohol, zuviel Kaffee, mit den Zigaretten warst du immer sparsam. Dein an Lungenkrebs dahingeraffter Vater vereitelt auch aus dem Jenseits noch jeglichen Genuss daran. Es würde dich nur stressen, seine Mahnungen aus der Welt der Verschiedenen zu ignorieren. Stress kannst du auch nicht ausstehen. Hast deinen eigenen Rhythmus, jede Abweichung ist ungewollt. Gedankenfetzen grüßen dein Bewusstsein. Tausend Sehnsüchte, Wünsche, die heute erfüllt sind. Zurück willst du nicht, nur nach vorn. Doch zuerst nach unten. Jede trockene Stelle deines Körpers muss dem Nass weichen. Nur noch schnell die Haare waschen, dann ist deine Morgenpause vorbei. Daumen und Zeigefinder schützen die Nase vor dem eindringenden Wasser. Wie still es hier doch ist, wenn die kleinen Schaumbläschen endlich Ruhe geben. Deine ausgefüllten Ohren lassen dich nach innen lauschen. Das beständige Pochen deines Herzens, sonst nichts. Rhythmisch. Alles wäre vorbei, wenn du hier bliebest. Wie lang du wohl da unten sein kannst? Was geschieht dort eigentlich? Natürlich ist das vollkommen unspannend, denn du weißt ja, dass du auftauchen musst. Logisch. So ein Blödsinn. Kopfschütteln deiner Vernunft. Aber dennoch muss sich mehr abspielen, hier an der Grenze zwischen den Welten. Dein Körper ist schon angespannt, du musst hoch. Sauerstoff…. Herzklopfen…. Geschafft.
Du fragst dich, ob das alles ist. Keine Zeit, um mehr zu wissen. Du spülst die letzte Schaumkrone von deinem Haupt, der Tag beginnt. Beim nächsten Mal besuchst du die Grenze wieder. Dann schon wie eine alte Bekannte.
Den Weg kennst du. Zielsicher wartest du auf die Stille, das beständige Pochen deines Herzens und die Anspannung. Hallo, da bist du wieder. Es war so leicht bis hierhin und heute bist du gut in Form. Du hälst noch viel aus, denn du willst wissen. Wissen, was nach der Spannung kommt, nur ein kleines Stückchen auf der Grenze nach vorn, die Tür einen Spalt breit öffnen, um dann schnell, wie ein neugieriges Kind davonzulaufen, aufzutauchen. So warst du schon immer. Hast an den Türen gelauscht, während andere sich ungehört wähnten. Hast das Verbotene immer gerade soweit ausgereizt, um noch schnell verschwinden zu können. Viel Zeit hast du nicht. Deine Kehle beginnt zu schlucken. Wie im Flugzeug, denkst du dir. Und du bist nicht der einzige an Bord, deine Gedanken beginnen zu sprechen. Du schluckst schneller. Langsam beginnt sich dein Körper zu verdrehen, zu winden wie ein Aal. Du musst hoch. Ein bisschen noch. Hoch! Ja… du gibst dem Unbekannten Recht. Laut tauchst du auf und ziehst begierig den Atem ein, ein Kribbeln rennt durch deinen Körper. Soll das etwa Extase sein? Keuchen, viel Luft. Ein Lächeln auf deinen Lippen. Du weißt, du kommst wieder.
Wie weit kannst du dich wagen? Kannst du noch mehr erfahren ohne Schaden zu nehmen? Du weißt, wie das Spiel ausgeht, doch verschwendest keinen Gedanken an die feststehenden Konsequenzen, an das Endergebnis. Das überlässt du den Suizidgefährdeten. Du willst nur spielen, ein bisschen lebendig sein. Genau wie früher. Verbotenes austesten und weglaufen. Das Herz, das bis zum Hals schlägt und dir fast den Atem nimmt. Das Glücksgefühl entkommen zu sein. Ungesehen. Das Prickeln im Körper und das Atmen danach. Wie gut doch Luft schmecken kann. Nein, du bist nicht übermäßig risikofreudig, nie gewesen. Dich reizt nur alles was Unerlaubt ist, du probierst gern die Grenzen aus, stellst sie infrage, um zu neuen Definitionen zu finden. Allmächtig, ohne Schranken. Frei im Geiste. Diesmal unter Wasser.
Stille, Pochen, Anspannung, Winden, Schlucken, da sind deine Freunde wieder. Ihr alle seid Passagiere, wisst wohin die Reise geht. Und dennoch willst du wieder aussteigen, noch bevor die Maschine abhebt. Sie bitten dich, bleib doch da. Begleite uns. Wir werden schweben, hoch oben über den Wolken, frei und leicht, auf in die Unendlichkeit. Dunkelheit hüllt dich ein, kleine Funken blitzen auf. Du machst kehrt, raus aus der Maschine. Atmen.
Doch bald geht ein neuer Flug. Wieder bitten sie dich, nicht zu gehen, prophezeien, dass nach der Dunkelheit mehr kommt. Du zweifelst. Vielleicht zum ersten Mal. Sie gehen vorüber. Druck baut sich auf. Schier unerträglich. Sie starten sicher die Turbinen. Lärmendes Rauschen, Tosen. Wo bist du? Wildes Herzklopfen, unrhythmisch, Kontrollverlust. Du kennst das Gefühl, die Sekunden der Entscheidung. Bist du zu weit gegangen? Panik. Du beginnst du kämpfen, zu rennen, willst dich losreißen. Wohin? Da ist überall nur lärmende Dunkelheit. Plötzlich reißt du die Augen auf und blickst auf den Bauch der kleinen Schaumkronen, die über dir lieblich dahintreiben. Ist das Nebel? Verzweifelt versuchst du ihn wegzuwischen, zu wedeln, als müsstest du dichten Rauch durchdringen. Deine Arme. Was ist mit deinen Armen? Und deine Beine. Du wedelst doch. Wieso bewegen sie sich nicht? Dein ganzer Körper scheint zu schwitzen vor Anstrengung. Wo sind deine Freunde? Stille.
Es wird wieder heller. Endlich. Die Anspannung lässt nach. Du fühlst dich befreit und leicht, unendlich leicht. Dein Verstand bekommt Flügel, vergessen ist die Zeit, was für ein wundervolles Licht. Bist umhüllt von Wohlbehagen, stellst nichts infrage. Frei. Du lässt dich treiben, einfach dahin, unfähig zu steuern, unwillig zu funktionieren. Von deinem Experiment weißt du längst nichts mehr. Den letzten Atemzug hast du bereits getan, noch während aus dem Zimmer die zarten Laute deines Kindes von seinem unschuldigen Erwachen künden. Die Morgenpause ist vorbei.
Allmacht unter Wasser - Am Ende nur eine Erzählung
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hginsomnia
- Klio
- Beiträge: 590
- Registriert: 03.09.2009, 05:04
Re: Allmacht unter Wasser - Am Ende nur eine Erzählung
Hallo Hanimoo,
erstmal ein Hallo von mir, da wir ja noch nicht das Vergnügen hatten.
Ich bin vorsichtig geworden, stelle ich vorweg, vorsichtig oder faul, ja, faul ginge auch durch, heißt: Ich schreibe keine detaillierten Kritiken mehr auf Verdacht. Wenn für dich eine solche, durchaus kritische Betrachtung in Frage kommt, teile dies einfach nochmal mit einer kurzen Antwort mit.
Ich sehe einige gute Beschreibungen, aber auch jede Menge Kürzungsbedarf. Insgesamt scheint mir die Erzählung ihre EInheit noch nicht gefunden zu haben (so jedenfalls mein erster Eindruck, den ich bei detaillierterer Auseinandersetzung eventuell auch revidieren muss).
Bist du also an Kritik interessiert (Achtung: Dann wird's aber auch kritisch
)?
lg
hginsomnia
erstmal ein Hallo von mir, da wir ja noch nicht das Vergnügen hatten.
Ich bin vorsichtig geworden, stelle ich vorweg, vorsichtig oder faul, ja, faul ginge auch durch, heißt: Ich schreibe keine detaillierten Kritiken mehr auf Verdacht. Wenn für dich eine solche, durchaus kritische Betrachtung in Frage kommt, teile dies einfach nochmal mit einer kurzen Antwort mit.
Ich sehe einige gute Beschreibungen, aber auch jede Menge Kürzungsbedarf. Insgesamt scheint mir die Erzählung ihre EInheit noch nicht gefunden zu haben (so jedenfalls mein erster Eindruck, den ich bei detaillierterer Auseinandersetzung eventuell auch revidieren muss).
Bist du also an Kritik interessiert (Achtung: Dann wird's aber auch kritisch
)?lg
hginsomnia
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