Auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch an die beiden Gewinner! Ich bin sehr zufrieden mit der Wahl, die Ham und ich getroffen haben und wir haben es uns auch nicht leicht gemacht. Wir sind wirklich jeden Text einzeln, Strophe für Strophe, manchmal auch zeilenweise durchgegangen und haben dafür 5 Telefonate á 3-4 Stunden gebraucht, um zu unserem abschließenden Urteil zu kommen.
Es hat Spass gemacht, eure Texte zu lesen und zu interpretieren, und damit meine ich die Texte von allen, die mitgemacht haben. Wie ich bereits sagte: Das Thema war ja nicht ganz einfach und dennoch sind sehr unterschiedliche Perspektiven zustande gekommen und der Stil eurer Gedichte ist ohnehin einzigartig. Etwas, was ich an diesem Forum generell mag.
Vielleicht aber doch auch ein Hauch Kritik: Es gab - mehr als zwischen den Zeilen stehend - eine Tendenz, eine Implikation in der Aufgabenstellung, die leider von vielen Teilnehmern nicht oder zu wenig berücksichtigt wurde: "Denn nicht alles ist reduzierbar auf Soll und Haben, oder doch? War da nicht noch was?" Die Hälfte der eingereichten Texte konzentriert sich dann leider doch zu sehr auf Finanz- und Euro-Krise und das spielte bei der Bewertung der Texte für uns eine wichtige Rolle (neben sprachlichen und handwerklichen Aspekten, die natürlich auch berücksichtigt wurden).
Vielleicht noch ein paar Einzelkritiken, kurz und knapp auf ein paar Worte reduziert, damit jeder Teilnehmer ein kleines Feedback bekommt:
@antonDein Text hat uns viel Freude bereitet, was du vielleicht nicht unbedingt beabsichtigt hast. Leider weist er noch recht deutliche handwerkliche Schwächen auf (Metrum, Reime, Reimschema).
@shuyaIch mag diesen Text. Mir gefällt insbesondere die historische Perspektive und auch sprachlich bietet dieses Gedicht immer wieder interessante Wendungen und Überraschungen. Eigentlich genau das, was ich von einem guten Gedicht erwarte. Der zweite Teil des Gedichtes fällt meines Erachtens im Vergleich zum ersten Teil etwas ab, die vorletzte Strophe gleitet vielleicht auch schon etwas in Richtung Verschwörungstheorien. Wir haben das dann als den ausgewiesenen "Kommentar" eingestuft. Ich glaube, wenn Ham und mich der zweite Teil des Gedichtes ebenso beeindruckt und fasziniert hätte, wie der erste Teil, dann wäre dieses Gedicht vermutlich als alleiniger Sieger des Wettbewerbs hervorgegangen.
@schreiberlingMir hat besonders der Tenor deines Gedichtes gefallen, da er nicht in das ewige "Gestöhne", wie du es sehr zutreffend charakterisierst, mit einstimmt. Bravo! Schade ist, dass du nicht ganz konsequent bei den lyrischen/mythischen Bildern bleibst, du du ins Spiel bringst. Du beginnst mit dem weiblichen Namen der Göttin und nennst dann im gleichen Satz den Kontinent. Mir ist der ganze Texte vielleicht etwas zu interrogativ. Bilder wie der gefällte Baum wirken noch recht fehlplatziert auf mich. Wie ich bereits sagte, dein Gedicht hatte mehr einen Entwurfs-Charakter für mich.
@EdekireDein Gedicht ist nicht leicht zugänglich, zumindest war es das für uns. Aber es ist auch wie eine Schatztruhe, wir haben lange gebuddelt und viel ans Tageslicht gefördert. Mir gefällt diese individuelle Familiengeschichte, die hier in die Reparatur eines kaputten Musikinstruments eingebettet wird. Das sind, wenn ich das sagen darf, genau die Geschichten, auf die ich bei diesem Wettbewerb gehofft habe. Nicht ein abstraktes, medial-reduziertes Europa der Wirtschaft, der Krise, der Hysterie, sondern ein persönliches Europa, eine historische Konkretisierung des entfremdeten und missbrauchten Begriffs. Wir haben ein bisschen intensiver nach dem Bezug zum Thema "Europa" fahnden müssen bei deinem Gedicht, allerdings die letzte Strophe hat dann auch Ham und mich restlos überzeugt.
@riemscheDein Gedicht war auch in der engeren Wahl, es ist eine Wundertüte der sprachliche Bilder und Wortspiele. Du hättest sicherlich noch mehr erreicht, wenn du nicht ganz so stark auf das Krisen-Genre fokussiert hättest.
@DerBaumEntschuldige, Hilbi, aber dein Text ist ein bisschen durchs Raster gefallen. Ham und ich waren beide der Überzeugung, dass dieser Text uns nicht lyrisch genug ist. Beziehungsweise, dass er dem hohen Grad der Verdichtung, des poetischen Spiels der Bilder, das du beherrschst, nicht gerecht geworden ist. Der Text liest sich eher wie ein ungefilterter politischer Kommentar, aber nicht wie Literatur. Das soll nicht bedeuten, dass Meinungen in literarischen Bildern verklausuliert sein müssen, aber die Botschaft muss den Leser auch erreichen. In deinem Text klingt ein Zorn stark an, als ob du die Brechstange an Europa angesetzt hättest. Damit hast du Ham und mich ein bisschen verschreckt.
@KatoDein Text hat uns ebenfalls sehr gut gefallen. Bewundernswert, was für einen wahnsinnigen Bedeutungsraum, man mit so wenigen Worten aufziehen kann.
@hginsomniaAuch dein Text war in der engeren Wahl und hat uns lange beschäftigt. Ich muss zugeben, dass wir mit dem zweiten Teil des Gedichtes so unsere Probleme bei der Interpretation hatten. Ich weiß nicht, ob wir das wirklich erschlossen haben, worum es dir gegangen ist. Sprachlich ist dein Text anspruchsvoll. Hinsichtlich der implizierten Aufgabenstellung ist dein Text nur etwas zu nah an der Krise und das Poker-Bild ist mir angesichts der Zocker- und Casino-Metaphern, die bereits in den Medien abgefackelt wurden, leider zu naheliegend gewesen.
@KallistoFreut mich, dass der Mond Europa nicht vergessen wurde.
Nochmal herzlichen Dank an euch alle!

MfG,
[) i r k
"du trittst da fast in die fußstapfen des unseligen dr goebbels und seiner zensur und verdammungsmaschine." (Ralfchen)