Hallo Surja, hallo Forum
Verfasst: 12.11.2004, 10:33
Hallo Surja, hallo Forum,
nachdem meine erste Enttäuschung und meine Wut darüber, dass du den Großteil deiner älteren Texte hier im Forum einfach ersatz- und kommentarlos gelöscht hast, etwas verklungen ist (nicht wirklich verklungen, aber ein wenig abgeflaut), wäre es vielleicht ganz angebracht, dass ich mich einmal etwas eingehender dazu äußere, warum mich das so ärgert und warum ich es nicht verstehen kann. Und ich möchte dich unbedingt darum ersuchen, mir im Gegenzug zu erklären, warum du das getan hast.
Das mag jetzt etwas krass und übertrieben klingen, aber ich empfinde das, was du hier getan hast, als eine Art Sabotage, als einen Verrat an der Grundidee eines solchen Literaturforums. Und ich empfinde es als feige. SMID war feige. Er hat alle seine Beiträge im JL im Nachhinein gelöscht und damit dem späteren Leser die Chance geraubt, die Dokumentation des Streites nachzulesen und sich selbst ein Urteil zu bilden. Es ist, als würde man eine Seite aus einem Buch reißen, bevor man es zurück in die Bibliothek bringt. Doch das sehe ich als ein wesentliches Grundelement eines solchen Forums an: Einen Diskurs zu dokumentieren. Das Internet zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die Halbwertszeit von Informationen und Dokumenten nicht besonders hoch ist, und so ein Archiv, wie dieses Forum eines ist, beruht eigentlich auch auf der Idee, der ständigen Fragmentierung von Dokumenten und Diskursen im Netz eine gewisse Beständigkeit und Zuverlässigkeit entgegenzusetzen, und damit wiederum etwas Qualität zu gewährleisten, die in der vorübergehend-belanglosen Kommunikation (denken wir an Chats oder SMS) zwangsläufig verloren zu gehen scheint. (Das ist auch der Grund, warum ich keinen Chat in dieses Forum integrieren werde.) Eine wichtige Komponente des Wir-Gefühls und des Gruppenzusammenhalts in diesem Forum beruht darauf, dass man sich eine gemeinsame Erinnerung verschafft: gute wie schlechte, schöne wie schmerzliche, angenehme wie enttäuschende Erinnerungen. Das klingt jetzt wahrscheinlich schrecklich konservativ, aber: das ist etwas, das Wert hat. Wir brauchen Erinnerungen, wir brauchen eine gemeinsame Geschichte. Ansonsten würde das hier nicht so funktionieren, wie es funktioniert. Wenn sich jetzt jeder in dir ein Vorbild nehmen und seine früheren Einträge einfach mir nichts, dir nichts tilgen würde, würde die Diskussion in diesem Forum bald ziemlich schnell an Niveau und Konsistenz verlieren, und das Grüppchen, das sich hier zusammengefunden hat, an Zusammenhalt. Wär' schade drum.
Es gibt aus meiner Sicht eigentlich nur eine vernünftige Motivation, die deine Handlung erklären könnte: Du hast Angst, dass jemand deine Gedichte kopiert, du sorgst dich um den Schutz deines geistigen Eigentums. Die Frage ist berechtigt und auch dazu möchte ich vorab etwas sagen. Als erstes: das hier ist eine Veröffentlichung. Es ist zwar ein anderes Medium und die Veröffentlichung als Buch setzt immer noch den Maßstab, aber der rechtliche Status ist sich prinzipiell gleich. Wenn ich hier ein Gedicht einstelle und als meines ausgebe, aber ich habe es einfach nur aus dem Buch eines anderen kopiert, so kann ich vom Autor oder stellvertretend von seinem Verleger wegen Urheberrechtsverletzung verklagt werden. Deine Veröffentlichungen in diesem Forum sind ebenso geschützt. Sie sind a.) mit einem Datum versehen, das selbst ich als Administrator dieses Forums nicht manipulieren kann, sie waren b.) in deinem Fall sogar jeweils mit deinem richtigen Namen signiert und sie hätten c.) in einem Rechtsstreit von im Durchschnitt wenigstens zehn Lesern bezeugt werden können. Außerdem ist dein Stil, deine Art Gedichte zu schreiben, schon ziemlich unverwechselbar. Versteh mich nicht falsch, ich kann dir natürlich nicht garantieren, dass nicht irgendjemand, z.B. irgendein Schüler hergeht, eins deiner Gedichte kopiert und ausdruckt, damit in die Schule watschelt und sagt: »Guck ma, Herr Oberstudienrat, was ich geschrieben habe! Guck ma, wie klug ich bin!« Aber das kann dir auch kein Verleger garantieren.
Aber ganz ehrlich: ich finde, man kann es mit der Sorge ums Copyright auch übertreiben. Und gerade bei Gedichten finde ich das meist ziemlich albern und unangebracht. Ich meine, wenn es um ein größeres Dokument geht, um einen Roman oder ein Drehbuch, dann könnte ich die Sorge noch eher nachvollziehen. Das war auch der Grund, warum wir seinerzeit Razorbacks Roman "Terra Incognita" in einem geschützten Bereich dieses Forums besprochen haben. Denn in so einem Fall hängt durchaus die zukünftige Veröffentlichung und – eventuell auch Geld – davon ab. Aber so nicht bei unseren Gedichten. Es ist halt nun mal so, dass es nur wenige Verlage gibt, die zeitgenössische Lyrik veröffentlichen, und wenn, dann meist auch nur als Sammelbände und Themenanthologien. Und in den meisten Fällen besteht das Honorar aus nicht mehr als ein paar Freiexemplaren. Mit unseren Gedichten Geld verdienen werden wir nicht. Wozu dann aber die Sorge ums Copyright? Sich um Eigentum sorgen, Eigentum schützen, macht doch nur da einen Sinn, wo Eigentum bedroht ist. Wir erleiden keinen Verlust, keinen materiellen, wenn jemandem eines unserer Gedichte gefällt und hergeht, es in einem anderen Forum zu veröffentlichen.
Ich weiß nicht, Surja, warum du Gedichte schreibst. Aber ich sehe das so: ich möchte gelesen werden. Das ist mir ein Grundbedürfnis, eine nicht zu unterschätzende Motivation. Dass meine Gedichte auf der Festplatte meines Computers verschimmeln, bringt mir nichts. Ich möchte Menschen erreichen und jeder, den ich erreiche, ist mir Lohn genug. Da ich die Chance, sie anderswo zu veröffentlichen, realistisch einschätze, veröffentliche ich sie hier. Und ich bin dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt – vor hundert Jahren gab es sie noch nicht und die Texte, die Gedanken von Menschen wie uns wären einfach unbeachtet und ungewürdigt im Nirwana irgendeines Tagebuchs oder Poesiealbums verschwunden und verschusselt worden. Wenn du hier deine Gedichte nach einiger Zeit wieder löschst, benimmst du dich auch einfach der Chance, von einem anderen, der später kommt, gelesen zu werden. Du beraubst dich selbst. Auch der – zugegebenermaßen geringfügigen – Chance, entdeckt zu werden, wie das Beispiel von MiBo zeigt (siehe http://www.literaturforum.net/viewtopic.php?t=1059 ).
Was soll ich jetzt mit diesen Threads machen, Surja? Mit diesen verstümmelten, guillotinierten Threads? Die Kritiken hängen im luftleeren Raum. Wenn später jemand kommt, sich das Thema anzuschauen, findet er nur noch die Kritiken vor und keinen Text, an dem er sich sein eigenes Urteil bilden könnte. Nix halbes und nix Ganzes ist das mehr. Datenmüll ist das. Spam. Bitte versetzt dich auch in uns, in deine Kritiker, in die Menschen, die sich mit deinen Texten auseinandergesetzt haben, die sie gelesen und sich die Zeit genommen haben, sie zu analysieren, zu berichtigen, zu verbessern, zu interpretieren und zu hinterfragen. Wie unfair ist das uns gegenüber! Wenn dieses Verhalten Methode wird, hätte ich keine große Lust mehr, einen deiner Texte zu kommentieren. Das ist keine Drohung, sondern ein Fakt. Ich würde mir automatisch nicht mehr so viel Mühe geben wie sonst. Und mein Name ist nicht Sisyphus. Ich möchte nicht, dass meine Kritiken im luftleeren Raum hängen, ich möchte, dass das, worauf ich mich beziehe, erhalten bleibt. Denn Text & Kritik sind eine Einheit.
Ich kann es dir nicht verbieten, du bestimmst über deine Gedichte. Aber ich möchte dich inständig darum bitten, es trotzdem in Zukunft zu unterlassen – und ich möchte dich auch darum ersuchen, die Texte, die du bereits gelöscht hast, wieder einzustellen. Bitte.
Außerdem bitte ich auch alle anderen um eine Stellungnahme.
Free your mind, free your poetry
:macho:
MfG,
[) i r k
nachdem meine erste Enttäuschung und meine Wut darüber, dass du den Großteil deiner älteren Texte hier im Forum einfach ersatz- und kommentarlos gelöscht hast, etwas verklungen ist (nicht wirklich verklungen, aber ein wenig abgeflaut), wäre es vielleicht ganz angebracht, dass ich mich einmal etwas eingehender dazu äußere, warum mich das so ärgert und warum ich es nicht verstehen kann. Und ich möchte dich unbedingt darum ersuchen, mir im Gegenzug zu erklären, warum du das getan hast.
Das mag jetzt etwas krass und übertrieben klingen, aber ich empfinde das, was du hier getan hast, als eine Art Sabotage, als einen Verrat an der Grundidee eines solchen Literaturforums. Und ich empfinde es als feige. SMID war feige. Er hat alle seine Beiträge im JL im Nachhinein gelöscht und damit dem späteren Leser die Chance geraubt, die Dokumentation des Streites nachzulesen und sich selbst ein Urteil zu bilden. Es ist, als würde man eine Seite aus einem Buch reißen, bevor man es zurück in die Bibliothek bringt. Doch das sehe ich als ein wesentliches Grundelement eines solchen Forums an: Einen Diskurs zu dokumentieren. Das Internet zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die Halbwertszeit von Informationen und Dokumenten nicht besonders hoch ist, und so ein Archiv, wie dieses Forum eines ist, beruht eigentlich auch auf der Idee, der ständigen Fragmentierung von Dokumenten und Diskursen im Netz eine gewisse Beständigkeit und Zuverlässigkeit entgegenzusetzen, und damit wiederum etwas Qualität zu gewährleisten, die in der vorübergehend-belanglosen Kommunikation (denken wir an Chats oder SMS) zwangsläufig verloren zu gehen scheint. (Das ist auch der Grund, warum ich keinen Chat in dieses Forum integrieren werde.) Eine wichtige Komponente des Wir-Gefühls und des Gruppenzusammenhalts in diesem Forum beruht darauf, dass man sich eine gemeinsame Erinnerung verschafft: gute wie schlechte, schöne wie schmerzliche, angenehme wie enttäuschende Erinnerungen. Das klingt jetzt wahrscheinlich schrecklich konservativ, aber: das ist etwas, das Wert hat. Wir brauchen Erinnerungen, wir brauchen eine gemeinsame Geschichte. Ansonsten würde das hier nicht so funktionieren, wie es funktioniert. Wenn sich jetzt jeder in dir ein Vorbild nehmen und seine früheren Einträge einfach mir nichts, dir nichts tilgen würde, würde die Diskussion in diesem Forum bald ziemlich schnell an Niveau und Konsistenz verlieren, und das Grüppchen, das sich hier zusammengefunden hat, an Zusammenhalt. Wär' schade drum.
Es gibt aus meiner Sicht eigentlich nur eine vernünftige Motivation, die deine Handlung erklären könnte: Du hast Angst, dass jemand deine Gedichte kopiert, du sorgst dich um den Schutz deines geistigen Eigentums. Die Frage ist berechtigt und auch dazu möchte ich vorab etwas sagen. Als erstes: das hier ist eine Veröffentlichung. Es ist zwar ein anderes Medium und die Veröffentlichung als Buch setzt immer noch den Maßstab, aber der rechtliche Status ist sich prinzipiell gleich. Wenn ich hier ein Gedicht einstelle und als meines ausgebe, aber ich habe es einfach nur aus dem Buch eines anderen kopiert, so kann ich vom Autor oder stellvertretend von seinem Verleger wegen Urheberrechtsverletzung verklagt werden. Deine Veröffentlichungen in diesem Forum sind ebenso geschützt. Sie sind a.) mit einem Datum versehen, das selbst ich als Administrator dieses Forums nicht manipulieren kann, sie waren b.) in deinem Fall sogar jeweils mit deinem richtigen Namen signiert und sie hätten c.) in einem Rechtsstreit von im Durchschnitt wenigstens zehn Lesern bezeugt werden können. Außerdem ist dein Stil, deine Art Gedichte zu schreiben, schon ziemlich unverwechselbar. Versteh mich nicht falsch, ich kann dir natürlich nicht garantieren, dass nicht irgendjemand, z.B. irgendein Schüler hergeht, eins deiner Gedichte kopiert und ausdruckt, damit in die Schule watschelt und sagt: »Guck ma, Herr Oberstudienrat, was ich geschrieben habe! Guck ma, wie klug ich bin!« Aber das kann dir auch kein Verleger garantieren.
Aber ganz ehrlich: ich finde, man kann es mit der Sorge ums Copyright auch übertreiben. Und gerade bei Gedichten finde ich das meist ziemlich albern und unangebracht. Ich meine, wenn es um ein größeres Dokument geht, um einen Roman oder ein Drehbuch, dann könnte ich die Sorge noch eher nachvollziehen. Das war auch der Grund, warum wir seinerzeit Razorbacks Roman "Terra Incognita" in einem geschützten Bereich dieses Forums besprochen haben. Denn in so einem Fall hängt durchaus die zukünftige Veröffentlichung und – eventuell auch Geld – davon ab. Aber so nicht bei unseren Gedichten. Es ist halt nun mal so, dass es nur wenige Verlage gibt, die zeitgenössische Lyrik veröffentlichen, und wenn, dann meist auch nur als Sammelbände und Themenanthologien. Und in den meisten Fällen besteht das Honorar aus nicht mehr als ein paar Freiexemplaren. Mit unseren Gedichten Geld verdienen werden wir nicht. Wozu dann aber die Sorge ums Copyright? Sich um Eigentum sorgen, Eigentum schützen, macht doch nur da einen Sinn, wo Eigentum bedroht ist. Wir erleiden keinen Verlust, keinen materiellen, wenn jemandem eines unserer Gedichte gefällt und hergeht, es in einem anderen Forum zu veröffentlichen.
Ich weiß nicht, Surja, warum du Gedichte schreibst. Aber ich sehe das so: ich möchte gelesen werden. Das ist mir ein Grundbedürfnis, eine nicht zu unterschätzende Motivation. Dass meine Gedichte auf der Festplatte meines Computers verschimmeln, bringt mir nichts. Ich möchte Menschen erreichen und jeder, den ich erreiche, ist mir Lohn genug. Da ich die Chance, sie anderswo zu veröffentlichen, realistisch einschätze, veröffentliche ich sie hier. Und ich bin dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt – vor hundert Jahren gab es sie noch nicht und die Texte, die Gedanken von Menschen wie uns wären einfach unbeachtet und ungewürdigt im Nirwana irgendeines Tagebuchs oder Poesiealbums verschwunden und verschusselt worden. Wenn du hier deine Gedichte nach einiger Zeit wieder löschst, benimmst du dich auch einfach der Chance, von einem anderen, der später kommt, gelesen zu werden. Du beraubst dich selbst. Auch der – zugegebenermaßen geringfügigen – Chance, entdeckt zu werden, wie das Beispiel von MiBo zeigt (siehe http://www.literaturforum.net/viewtopic.php?t=1059 ).
Was soll ich jetzt mit diesen Threads machen, Surja? Mit diesen verstümmelten, guillotinierten Threads? Die Kritiken hängen im luftleeren Raum. Wenn später jemand kommt, sich das Thema anzuschauen, findet er nur noch die Kritiken vor und keinen Text, an dem er sich sein eigenes Urteil bilden könnte. Nix halbes und nix Ganzes ist das mehr. Datenmüll ist das. Spam. Bitte versetzt dich auch in uns, in deine Kritiker, in die Menschen, die sich mit deinen Texten auseinandergesetzt haben, die sie gelesen und sich die Zeit genommen haben, sie zu analysieren, zu berichtigen, zu verbessern, zu interpretieren und zu hinterfragen. Wie unfair ist das uns gegenüber! Wenn dieses Verhalten Methode wird, hätte ich keine große Lust mehr, einen deiner Texte zu kommentieren. Das ist keine Drohung, sondern ein Fakt. Ich würde mir automatisch nicht mehr so viel Mühe geben wie sonst. Und mein Name ist nicht Sisyphus. Ich möchte nicht, dass meine Kritiken im luftleeren Raum hängen, ich möchte, dass das, worauf ich mich beziehe, erhalten bleibt. Denn Text & Kritik sind eine Einheit.
Ich kann es dir nicht verbieten, du bestimmst über deine Gedichte. Aber ich möchte dich inständig darum bitten, es trotzdem in Zukunft zu unterlassen – und ich möchte dich auch darum ersuchen, die Texte, die du bereits gelöscht hast, wieder einzustellen. Bitte.
Außerdem bitte ich auch alle anderen um eine Stellungnahme.
Free your mind, free your poetry
:macho:
MfG,
[) i r k